Der gleiche Tag
Feeling like a lost, lonesome cowboy...

Nun ging ich schwer beladen mit einer Tasche, einem Rucksack, einer Iso-Matte, einem Zelt und einem Schlafsack (wie ich das alles tragen konnte weiß ich auch nicht mehr, aber ich glaube der Wille allein hilft in so einem Fall schon weiter) über das Gelände und fragte alles, was irgendwie nach Security aussah, wo ich denn mein Bändchen bekommen könnte. Außer "Nee, da kann ich dir leider auch nicht weiter helfen" und "Du mußt jetzt den Weg da entlang gehen bis zu der Absperrung, da steht dann so'n Fettsack der weiß bestimmt bescheid" (im feinsten Sachsen-Dialekt, und wißt ihr, was das Schlimmste daran ist?! Man gewöhnt sich nach drei Tagen daran! ;-) konnte ich ihnen jedoch auch nicht entlocken. Schließlich konnte ich dann doch noch mein schickes Bändchen in Empfang nehmen: ein kleines, weißes, und zum besonders häßlich sein verurteiltes Stück beschichtete Papier.
Noch immer schwerst beladen schleifte ich meinen erschöpften Körper nun zum Camp und baute mein Zelt auf, mehr schlecht als recht und mitten in der siedenden Sonne auf (alle Schattenplätze waren auf eine unerklärliche Weise alle schon besetzt...). Jedoch war der See keine 30 Meter entfernt, was sich am nächsten Morgen mehr als nur anbot. Auf der einen Seite war ich natürlich sehr erleichtert, daß ich auf einem abgesicherten Platz zelten konnte, denn auf noch einen Typen in meinem Zelt hatte ich wirklich keine Lust, zudem war ich ja diesmal völlig allein unterwegs, jedoch war man auch ein bißchen abgegrenzt von allen anderen Festivalbesuchern und das ist schade, wenn man sich allein und verlassen unter ca. 25.000 Menschen befindet. Es bleiben einem wunderbare Bekanntschaften leider ein bißchen verwehrt und man kann sich nicht gut unter das "Volk" mischen. Wohin das Auge reicht nur Autos, Wohnmobile, Zelte und gaaanz viele gaaanz wichtige Leute. Einöde pur...

Becks, Beck's und Bäx
oder:
Shortcuts auf der Bounty

Als nächstes suchte ich das Festivalgelände auf. Was mir zuallererst auffiel war das Angebot der Bars. Es sprengte jeglichen Rahmen und es wurde einem wirklich schwer gemacht sich zu entscheiden- zwischen BECK's und BECK's Gold... Die gesamte Umgebung war ausgestattet mit Merchandise und anderem Zeugs von, dreimal dürft ihr raten... ja richtig, BECK's! Aufblasbare, grüne BECK's-E-Gitarren hingen an den Wänden und überall standen Aschenbecher ebenfalls bedruckt mit einem BECK's-Label. Die Sitzmöglichkeiten waren Bierkisten (aber von welcher Marke verrate ich nicht!...) mit Polstern und in einer Ecke befand sich eine Art riesige Sandkiste mit einem Boot darin und gelben, aufblasbaren Sesseln. Die absolute Härte kam aber erst mit dem Sonnenuntergang zum Vorschein, wenn es dunkel genug für einen Projektor war. Eine Dauerschleife zeigte den Film "Meuterei Auf Der Bounty" in schwarz/weiß und alle 5 Minuten wurden alte Fernsehwerbungen von BECK's dazwischen geschnitten. In einem dieser Trailer hieß es "Man kann sich ihm nicht entziehen" und sie hatten damit gewollt recht. Wenigstens lief das ganze ohne Ton somit war es dann doch noch einigermaßen möglich das zu ignorieren. Tja, das ist dann wohl die etwas primitivere Variante Shortcuts unter's Volk zu mischen und mir fällt da zu nur eins ein: 'Oh my brain, please stay in my head and don't sail away!!!'. Diese Filmchen waren sehr nervig und machten nur unnötigen "Schein-Durst". Für mich war das von großem Nachteil, denn ich hasse Bier in der Regel und "normale" oder gar unalkoholische Getränke gab es an allen restlichen Smirnoff- Red Bull- und Bibob-Ständchen und Cocktailzelten, aber nicht hier. Man wurde quasi dazu gezwungen sich ein, ich kann diesen Namen mittlerweile für die nächsten zwanzig Jahre nicht mehr hören, BECK's einzuverleiben. Immerhin war es hier einigermaßen billig. Für Vieltrinker und Alkoholiker sicherlich ein Renner...

Der SonneMondSterne-Circus und seine Artisten (und Clowns)

Als nächstes erkundete ich den Platz und was mir als erstes einfiel war 'Wow, ist das hier klein...'. Sehr idyllisch ging es hier zu. Überall waren bunte hoch in den Himmel ragende Circuszelte aufgebaut und dazwischen standen kleinere Bars, Döner- und Pizzabuden herum. Das größte Zelt von allen war der Sechsmaster "Main Circus", in dem unter anderen Leute wie Peter Kruder, International Pony oder T.Raumschmiere & Band so manchen Applaus ernteten. Die Main-Stage stand sehr nah am See und wurde an diesen 3 Tagen unter anderem besucht von MIA, 2Raumwohnung, Goldfrapp und The Chemical Brothers. Aber auch DJ-Größen wie Sven Väth oder Ricardo Villalobos baten hier zur Audienz. Eine kleinere Bühne, die Second Stage, trug unzählige DJs und beschallte mit ihnen von ca. 16 Uhr nachmittags bis 12 Uhr am nächsten Morgen Tanzwütige und auch alle anderen. Das Publikum bestand aus lustigen Ravern die möglichst schrill und auffällig gekleidet waren und teils freakige Kontaktlinsen trugen, um dem Ganzen noch den letzten Schliff zu verpassen (oder aber um zu verstecken, wie glasig ihre Augen bereits von endlosen Drogenexzessen waren). Ich war wahrscheinlich der Einzige der geschminkt und mit schwarzen Manson-T-Shirt über diesen Platz schritt... Ich wurde auch öfter angesprochen und bekam (schon zuvor im Bus) schlaue Feststellungen zu hören wie "Du bist also mehr so Metal".
Schon bald hatten Pitchtuner ihren eher weniger großen Auftritt, denn es standen höchstens 50 Leute vor der Bühne. Das ist natürlich auch klar. Um die Uhrzeit eine unbekannte Band... das klappt meist nicht. Obwohl ich es bei ihnen wirklich schade fand, denn sie waren wirklich nicht schlecht! In einer ähnlichen Besetzung wie bei Blonde Redhead - eine Japanerin am Bass und zwei Deutsche an der Gitarre und am Schlagzeug (bei Blonde Redhead sind es zwei Italiener) präsentierten sie ihre Klänge. Die Musik würde ich ein bißchen unter Electro-Pop/Rock einordnen, mit vielen, noch zusätzlich zum richtigen Schlagzeug, hämmernden Bassdrums und abgedrehten Melodien. So etwas habe ich noch nie gehört und es hat immerhin dazu gereicht, daß ich mir demnächst sicherlich mal ein Album von ihnen besorgen werde.
Es verstrich eine Menge Zeit und es floß das eine oder andere Bibop (eine gewöhnliche Cola, Schwarzbier, Guarana-Mischung, die eindeutig teurer ist, als sie schmeckt, die ich aber seltsamerweise ein bißchen mochte) bis MIA kamen - aber dann kam sie! Sie kam mit solch einer Power und viel Enthusiasmus und begeisterte ihr ganzes Publikum, ob nun Raver, Electro-Freaks oder Indies. Mieze, die Sängerin, repräsentierte mit ihrer charmanten, verspielten und aufsehen erregenden Stimme aktuelle Chart-Erfolge wie "Hungriges Herz" oder "Öko-Strom" aber auch das ganze andere Programm und brachte alle Leute zum tanzten und zum "Verrückt werden". Ihr Outfit war wie immer sehr exklusiv und passend: ein knallgelbes Kleid, etwas seltsame Kniebinden, die aussahen wie eine Mischung aus Verband und Knieschoner und Balletschuhe. Der Rest der Band war komplett in weiß gekleidet und ließ Mieze somit sehr in den Vordergrund treten, aber sie hätten da auch alle nackt oder in Latexkostümen stehen können. Sie hat so eine starke Präsenz und soviel Charme - man kann sie einfach nicht übersehen oder gar ignorieren. Man kann sie einfach nur liebhaben und ihr vom ersten Ton an hilflos verfallen sein oder enttäuscht gehen. An letzteres dachte jedoch an diesem Abend keiner.
Was mich danach auf dem Line Up noch als einziges interessierte, waren The Chemical Brothers. Sie legten eine atemberaubende Show hin mit fantastischen Lichteffekten, abgefahrenen Videosequenzen an der Bühnenwand und viel viel "Rauch und Schall". Die Bässe bohrten sich tief ins Trommelfell und stießen über unzählige Kanäle weiter durch bis zum Herzen, wo sie dann stark vibrierten und so schnell nicht mehr verschwanden. Eine unglaubliche Show, die man selbst gesehen haben muß. Nur wird das im Zweifelsfall nicht mehr möglich sein, denn es heißt, daß dies ihr allerletzter Auftritt war. Aber andererseits: von wie vielen Leuten hat man schon solche Ansagen allein aus Promotionsgründen gehört. Jedenfalls würde ich es schade finden, denn The Chemical Brothers sind einfach ein Highlight auf jeder Veranstaltung und bereiten nicht nur Techno-Fans eine große Freude.

Tautropfen im Morgengrauen

Den weiteren Abend tat ich so Dinge, die man eben auf einem Festival so tut. Ich aß und trank so manches überteuerte Häppchen, schlenderte über den ganzen Platz und unterhielt mich in verschiedenen Zelten noch mit so manchen interessanten Leuten. Die Zeit vergeht wirklich sehr schnell, wenn man sich in so einer turbulenten Umgebung aufhält und irgendwann war es dann 5 Uhr morgens und bereits wieder hell. Als ich zu meinem Zelt zurückkehrte, lag über dem See ein leichter, rauchiger Nebel. Ein Bild für die Sinne. Alles dampfte und war naß von Tautropfen. Ein schöner Ausgleich zur stetigen Hitzewelle, die leider nicht nur von der Musik erzeugt wurde, sondern auch penetrant vom Himmel schien. Leider hatte ich diesmal nicht mein eigentliches Zelt dabei sondern eine neue, billige Version in den gleichen gräßlichen Farben (Violett und Orange...) und die ließ auch schon den kleinsten Tropfen Wasser wegen der viel zu dünne Wassersäule durch. Somit war dann alles im Zelt zwar nicht wirklich durchnäßt, jedoch schon irgendwie widerlich angefeuchtet. Wahrscheinlich bin ich dazu verflucht jedes Mal in einem nassen Schlafsack zu nächtigen... Apropos nächtigen: Es gibt 2 Möglichkeiten, wie man bei solch einem gewaltigen Lärm, dem man sich als normaler Zelter ja nicht wirklich entziehen kann, eine Chance hat einzuschlafen: Entweder man macht solange durch bis man irgendwann vor Erschöpfung hilflos zusammenbricht (oft auch leider nicht unbedingt in seinem Zelt...), oder aber man bringt seine eigene Musik mit und stellt den Lautstärkeregler auf die höchste Zahl, die es gibt. Letzteres hatte ich eigentlich geplant, ersteres schlug sich dann jedoch bei mir früher durch. So schlummerte ich dann zu harten Techno-Rhythmen ein und träumte von einer besseren Kamera, einer Kühlbox mit Snacks und Drinks und davon, daß die Sonne doch endlich für immer verglühen und von unserem Firmament verschwinden möge...

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Fabian Fascher

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