Miguel And The Living Dead – Alarm!!!

(2005 Strobelight Records D)
www.migueldead.com
www.strobelight-records.com

Wer in diesen Tagen (Allerheiligen, Gedenken an unsere lieben Verstorbenen) eine Platte geschenkt bekommt, deren innere Verpackung mit einem Totenkopf geschmückt ist, sollte sich nicht wundern. Doch ein Blick zurück auf das Cover lässt noch Weiteres erahnen, indem es folgendes verrät: "IT'S CREEPING...IT IS TERRIFYING...THE ULTIMATE TERROR FROM..." Dazu eine rotgetränkte Illustration...

Wer sonst, als ein paar Vermummte Gestalten jenseits der Siebzig wagen sich in diesen nebligen Tagen auf kerzenerleuchtete Friedhöfe? Vielleicht zur Außenbesichtung der baldigen Todesumstände...? Nein, sie zünden ein Licht im Gedenken! Auf dass die Verstorbenen nicht beleidigt sind und in kalten Tagen die Flamme etwas Wärme spendet...

All das ist zugegebenermaßen wirklich ziemlich creepy und deswegen werden sich Herr Ottonormalverbraucher und Frau H. M. Konsumentengeil nicht weiter damit beschäftigen und sich gewohnheitsbedingt die Ohren mit Weichspüler der Marken OE3 bzw. RTL-Radio reinigen.

Doch unter der sozialen Durchschnittskruste brodelt es gewaltig. Da gibt es junge Menschen (und auch schon ältere), die sich ausschließlich in Schwarz kleiden, blendend weiße Schminke auftragen, die Augen dunkelfarbig umranden, sich die Lippen anschwärzen und – möglicherweise – besagtes Werk hören...

Miguel And The Living Dead, die Band hinter der Platte, kommt aus Polen. Es hat sich also selbst im Post-Kommunismus herumgesprochen, dass schwarze Musik schaurig schön sein kann; und so kommen sie also aus den Plattenbauten hervorgekrochen – frei nach George Romero – eine Horde von Aussichtslosen und Künstlern, die sich ernsthaft mit den Abgründen der Seele beschäftigen und ihre Gedankenwelt zum Ausdruck bringen.

ALIENS!!!! ZOMBIES!!! GHOULS!!!! CREATURES!! Was uns auf dieser Platte nicht alles erwartet! Leider hat Gott in seiner wahrhaftigen Genesis nur die Kreaturen erschaffen, die anderen hat er leider vergessen... Um dies zu relativieren, braucht es jedoch nicht IHN, sondern bloß Miguel, um sozusagen zweimal zu sterben – einmal mit der Musik und das zweite Mal dann endgültig.

Ein Blick in die Begleitbroschüre und ein seltsamer Schauer läuft einem über den Rücken. Gesichter, von der Qual gezeichnet und verzerrt, malträtierte vollbusige Mädels in Todesangst, Dolche, Kreuze, Spinnweben, Bluttropfen etc. Dazu eindeutige grausame Botschaften zum Wirtschaften des gestalt gewordenen Bösen. Ein paar Seiten weiter, amüsante bis süffisante, von schwarzem Humor im wahrsten Sinne des Wortes durchtränkte Texte, welche die Auferstehung, das Leben nach dem Tode, aber auch die Angst vor derartigen Erscheinungen behandeln. Auf intellektueller Ebene jenseits von Bosch oder Turner, zeichnen sie eine Welt, deren Ozeane blutrot gefärbt sein müssen, wo dunkle Bedrohungen aller Art auftauchen, bestückt mit Schimären, Gewalt, Sex, Extase etc. Alles in einen großen bleiernen Eintopf gemischt. Welche Bedeutungen sich hinter diesem Szenario verbergen, kann jeder, der diese Platte je in Händen hielt, für sich selber ausmachen...

Doch die Musik, und das ist wohl das Überraschendste überhaupt, wirkt fast konventionell. Neben all den düsteren Gedanken ist das Ergebnis doch eher harmlos und dazu absolut tanztauglich. Dies lässt folgenden Schluss zu: Wer sich vom Cover samt Booklet nicht allzu sehr einschüchtern lässt, hat eine Platte in Händen, mit musikalischen Einflüssen von The Cure, Clash und – ganz böse – Rammstein. Miguel And The Living Dead entpuppen sich also als waschechte Musiker und Fans. Auf ihrer Website kann man sie übrigens auch besichtigen...

Mit einer Mischung aus skurrilem Lärm, hübschen (!!) Gitarrenriffen sowie eingängigem Bass basteln Miguel und seine Mannen eine durchaus interessante Soundtapete. Manchmal etwas zu banal, in seinen besten Momenten gar an den Garage Sound erinnernd, der in den Sixties in den Kellern im Londoner East End gespielt wurde. Wäre da nicht die Stimme des Frontmans, der die Kreation abdunkelt und beizeiten verzerrt.

Klar, alles was mit dem allumspannenden Anspruch der dunklen Ebenen und ihrer Elemente und dem stilgerechten Bilderpomp produziert wird, muss einfach depressiv sein! Die Texte werden geraunt, gemurmelt, auch mehrstimmig vorgetragen, um einen dunklen Effekt zu erzeugen. Dann gibt es wieder Elemente von Limp Biskit sowie Bon Jovi, welche aber sehr bald von der rauen Stimme erwürgt werden. Auf "Train Of The Dead" (geschichtlich leicht bedenklich) glaubt man sich gar für kurze Momente im Spaghetti-Western zu finden, von Ennio Morricone untermalt, frei nach "Spiel mir das Lied vom Tod".

Wie aber alles Leben selbst, ist die Musik, die hier aus den Boxen manchmal sprudelt, manchmal tropft, ein wiederkehrender Kreislauf der Wiederholung, jedoch ohne Vergänglichkeit, eingezäunt innerhalb ihrer Möglichkeiten.

Tracklist
1. Miguel And The Living Dead
2. Aliens Wear Sunglasses
3. Graveyard Love Song
4. Salem's Lot
5. Night Of Terror
6. Killer Klowns From Outer Space
7. Black Magic Sex Terror
8. Sexy Velvet Shadow
9. Train Of The Dead
10. Ghostmaniac
11. Alarm!!! (Reprise)

Bewertung:

Michaela Drescher

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