festivalwelt.de / Reviews
Pet Shop Boys – The Complete Singles Collection
(1991 EMI Records Ltd. UK)
www.petshopboys.co.uk
www.emigroup.com
Fast jeder erinnert sich wohl noch an die zwei Typen mit Vorliebe für eigenartige Kopfbedeckungen und Brillen, wobei einer wie ein Upperclass-Gentleman aussieht (Neil Tennant) und der andere wie ein jugendlicher Kleinganove aus der Bronx (Chris Lowe). Für den durchschnittlichen Hörer des öffentlichen Rundfunks jedoch ist es in punkto neuer Hits von den Pet Shop Boys in letzter Zeit still geworden. Doch für all jene, die nicht unbedingt zu obiger Zielgruppe gehören und sich die Wartezeit inklusive Hoffung auf Besseres vertreiben wollen, denen sei The Complete Singles Collection zu empfehlen. Veröffentlicht vor über einem Jahrzehnt, also vor der Go West-Zeitrechnung und dem Billigbeat, bietet diese Platte Hörproben aus einer Zeit (prä-Neunziger), als man sich noch mit schriller lockiger Fönfrisur und knallbunten hautengen Leggings auf die Tanzfläche wagte (das waren die einen), während die anderen mit schnittigen Designeranzügen und dunklen Armanibrillen sich Kapitalismus light intravenös verabreichten. Fans von den Boys werden wohl eher letztere gewesen sein. Sie huldigten dem coolen, distanzierten Synthesizersound, von Faserschmeichlerstimmen benetzt, der sich im modernen Großstadtflair rund um den Globus wiederfand und die angesagtesten Tanztempel bevölkerte. Dass die Musik des UK-Duos wohl auch auf homosexuelle Randgruppen zugeschnitten war, schien nur wenige zu stören. (Es sei bemerkt, dass in Österreich das Abspielen ihrer Songs der einzige Beitrag der Medien zum Gay Movement ist).
Wohl zeugt besagte Platte noch aus besseren Tagen der Band, die in letzter Zeit (zumindest in diesen Breiten) vor allem durch künstlerische Abstinenz glänzte (selbst dem eifrigsten Hörfunkverweigerer müsste irgendwann ein sogenannter neuer Hit zu Ohren gekommen sein – und sei es im Supermarkt!). Achtzehn Singleauskoppelungen, größtenteils geschrieben und produziert von Tennant und Lowe selbst, zeugen vom Potential ihres Oeuvres, als Kommerz noch Spuren von geistiger Brillanz in sich trug. Wehmut macht sich breit, Immergrün setzt sich im Gehör fest bei West End Girls, It's A Sin oder Always On My Mind; doch auch Erleichterung bei notgedrungener Expedition in den Hitdschungel, wenn der Hitcomputer im gesteuerten Zufallsmodus fünf bis siebenmal die Woche besagte Titel ausspuckt.
Die Platte bietet zweifellos auch eine Wiederentdeckung jener Hits (zumindest im Königreich waren sie welche), über die der heimische Hitcomputer achtlos hinweggeht, beispielsweise Suburbia, What Have I Done To Deserve This oder So Hard. Die Kombination von weiblichen Männerstimmen, eingängigen bis superhaftenden Melodien sowie zum Teil ganz interessanten Texten und Ideen verliert bei heutiger Beurteilung nichts von ihrem Glanz, von ihrer revolutionären Attraktivität. Gleichzeitig sei zu dieser Zusammenstellung zu sagen, dass auch fünf Singles weniger dem Bemühen eindeutiger Kaufqualität zugute gekommen wären. Denn besagter Überschuss bietet bloß müde Glanzlichter, möglicherweise Abfallprodukte der gewohnten Kreativität, die das Attribut "Für eingeschlafene Füße" tragen könnten. So tatsächlich geschehen bei Kompositionen wie Love Comes Quickly (sic!), Opportunities (?), Domino Dancing oder Was It Worth It?. Auch wenn die Boys versuchen, politisch mit politischen Texten (wenn auch hintergründig) und politischen (= fade) Arrangements zu punkten, so ist das Resultat unbefriedigend, denn Politik wird nicht in der Disco sondern in dafür eigens eingerichteten Institutionen gemacht, ergo Lieder wie It's Alright oder DJ Culture sollten ohne politisches Aufsehen als mangelhaft deklariert werden und in der Versenkung verschwinden.
Nun, wer also seine Jugend wiederbeleben oder eine unerlebte Vergangenheit beschwören möchte, der kann mit The Complete Singles Collection jederzeit unkultivierte Nachbarn nerven...
Tracklist
1. West End Girls
2. Love Comes Quickly
3. Opportunities
4. Suburbia
5. It's A Sin
6. What Have I Done To Deserve This?
7. Rent
8. Always On My Mind
9. Heart
10. Domino Dancing
11. Left To My Own Devices
12. It's Alright
13. So Hard
14. Being Boring
15. Where The Streets Have No Name
16. Jealousy
17. DJ Culture
18. Was It Worth It?
Bewertung:
Michaela Drescher
* Kommentare lesen/verfassen *
* E-Mail an den Autor * Plattenkritik schreiben * Alle Reviews *
A |
B |
C |
D |
E |
F |
G |
H |
I
J |
K |
L |
M |
N |
O |
P |
Q |
R
S |
T |
U |
V |
W |
X |
Y |
Z
|