Son Of The Velvet Rat – By My Side

(2003 Starfish Records A)
velvetrat.mur.at

Es wird wohl kein Zufall sein, dass das Innere des Booklets an Dogs On Wheels (der süße Stoffhund!) von Belle & Sebastian erinnert: Im Falle von By My Side erblickt man neben einem ca. vierjährigen Kind eine Gummikatze... Das Cover hingegen zeigt eine Welle auf hoher See. Wie sich diese beiden Anhaltspunkte wohl auf die Musik auswirken, die darin komprimiert ist? Vage Bilder lassen nur vage Antworten zu. Beim ersten Hineinhören in die Platte, glaubte ich wahrhaftig in der Wüste zu sein, wo die Spuren großer Vorbilder vom Wind unkenntlich gemacht wurden. Nick Drake, Leonard Cohen, Joseph Arthur & Co grüßen als Fata Morgana vom Olymp einer Popoase, die schon viele gesucht haben. Georg Altziebler, der selbsternannte Sohn der samtigen Ratte und gleichzeitig Mastermind seiner Formation, ist einer dieser Reisenden, auf den Pfaden des Folk, die Gitarre lässig um die Schulter gehangen, sich niederlassend in einem billigen Tonstudio zwischen Rhein und Donaudelta. All das kann ziemlich charmant sein, wenn man die Ingredienzien richtig abstimmt. Wie sehr das für dieses Album zutrifft, lässt sich anhand diverser Auffälligkeiten abschätzen: Zum einen hängt über der Gesamtkomposition der Schleier des Geheimnisvollen. Man höre hinter das Timbre von Altzieblers Stimme, wie die alpin-englischen Wörter gleichsam von seinen Lippen im Gleichtakt mit seinen Gitarrenakkorden tropfen. Dazu gesellen sich obskure fremd anmutende Wortspielchen in Dur-Moll. Grundsätzlich ist das Ganze eine Art Kammer(Studio)spiel mit spärlicher Instrumentierung, auf Stille und Intimität bedacht. Elf Tracks vertreiben die Langeweile oder teilen den Zeitsinn, davon drei gänzlich ohne Text (Lunapark/Pavé/Reach Out), ein Umstand der auf eine gewisse "Übermystifizierung" hindeutet, nach dem Motto, "je weniger ich sage, desto geheimnisvoller werde ich". Des Weiteren bilden die Tracks Nr. 1, 3 und 6 eine Einheit nach melodischem Aufbau und Stimmlage, wenngleich das Thema zwischen dem ewigen Thema Liebe und zartbitteren Sprachverrenkungen (vor allem bei Phantom Song) variiert. Wenn schon Folk, dann bitte etwas tiefsinniger!, würden die Dylanologen aufschreien. Bei Play A Ghost Note On My Soul stattet Altziebler mit zwei hübsch konstruierten Phrasen einen ganzen Song aus, während Your Sweetest Smile (mit Ingrid Mosers b-vocals) wie nach einer stillen Reprise von Cohens Who By Fire klingt. Höhepunkt des Albums ist eine Fremdkomposition, die im Vergleich zum Original wunderbar schmerzverzerrt ins Ohr dringt, hervorgerufen durch einfachste Mittel.
Bei Platten wie dieser könnte man endlos über das Angesicht der Monotonie referieren, wie aus fünf Minuten plötzlich zehn werden, wie die Singstimme einer Kaskade warmen Wassers gleicht, der österreichische Englischakzent samt Intonation das Blut von Sprachlehrern gefrieren lässt etc. Doch gedenken wir gleichzeitig der Dylans und Cohens – wie sich einem bei ersterem dessen Stimme ins Gewissen sägt und man beim anderen nach der dritten Platte und dem hundersten gleichen Akkord in einen traumlosen Schlummer verfällt! Doch bedeutet auch diese Musik in diesem Arrangement einen wunderbaren Anlass, den glitzernden wie auch den bitteren Geschmack der Bonbonpopmusik zu vergessen, um langsam aber sicher ins Reich der Sinnlichkeit entführt zu werden. Wenn Altzielbler Stimme mit dem Gepräge für Geschmeidigkeit unsere Ohren umspült, dann entdecken auch die unromantischsten Artgenossen unter uns, dass tief in unseren Herzen ein geheimnisvolles Licht der Stille und Einkehr flackert.

Tracklist
1. Leaving You
2. Play A Ghost Note On My Soul
3. Phantom Song
4. Lunapark
5. Your Sweetest Smile
6. Holes
7. I Just Don't Know
8. Pavé
9. Love Will Tear Us Apart
10. Are The Angels Pretty?
11. Reach Out

Bewertung:

Michaela Drescher

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