Rammstein - Reise, Reise
(2004 Universal D)
Neue Segel auf alten Wassern. So könnte man wohl das neue Werk der "Neue Deutsche Härte"-Rocker am besten beschreiben. Der Titel "Reise, Reise" klang für mich in der Vorankündigung so alleine stehend ziemlich unsinnig und gar nicht passend zu Rammstein, doch wenn man das Album in der Hand hält, ergibt sich die logische Schlussfolgerung von ganz allein. Eine orange-weiße Blackbox, auf der in fetten Lettern "Flugrekorder, nicht öffnen" gedruckt ist, soll das Werk darstellen. Öffnet man es dann doch, erwartet einen eine CD, auf der ein Radarbild eingraviert ist. Nimmt man diese CD nun auch noch heraus, sieht man ein kleines Tape, was dann wohl die Blackbox zeigen soll. Das ist typisch Rammstein. Erst der mit dem Flugzeugunglück in Rammstein persiflierenden Bandnamen, dann über zehn Jahre hinweg provokante Texte, durch die sie nicht nur viele Freunde gewonnen haben, die aggressiven Sounds, das waghalsige Stimmenspiel mit den deutschen 30er Jahren und jetzt werden Rammstein auch noch politisch! Aber ist es nicht das, was wir an Rammstein alle so lieben?! Kein anderer traut sich das, was sie sich trauen. Und das macht sie so einzigartig, so liebens- oder eben so hassenswert. Und ist es nicht eine der wenigen deutschsprachigen Bands, die sogar in Amerika erfolgreich sind (nicht, daß uns das stolz machen sollte, aber es ist auch nicht verachtenswert...). Wieder melden sich die sechs Berliner mit grausigen Geschichten, hartem Kampfgeschütz und herzzerfetzenden Trauerballaden zurück und wagen sogar etwas neues: Sie verteidigen sich auf dem Lied "Los" gegen alle Beschuldigungen und Gerüchte und nehmen die Vorwürfe ihrer Widersacher und Pseudo-Antifaschisten, die Rammstein wahrscheinlich ein wenig zu ernst nehmen, auf die Schippe. "Sie sagten grundlos, schade um die Noten, so schamlos, das gehört verboten, es ist geistlos, was sie da probieren, so geschmacklos wie sie musizieren, es ist hoffnungslos, sinnlos, hilflos, sie sind Gott...los!" Eigentlich ist man das ja eher aus der HipHop- und PunkRock-Szene gewohnt und ehrlich gesagt ist "Los" auch nicht das Beste, was sie dieses Mal zu bieten haben. In "Morgenstern" wird über eine Liebe mit einer entstellten Frau gesungen und dieser Song hat mir neben 3 anderen am meisten imponiert. Außer Frage steht natürlich, daß keine Band je wieder so werden kann, wie sie auf ihren vorherigen Alben war - auch wenn sie es versuchen sollten, jedoch ist "Reise, Reise" eine hervorragende Ansammlung wunderschöner Texte. Melodisch gesehen haben sie sich leider überhaupt nicht weiterentwickelt. So erinnert das Lied "Ohne Dich", was zweifelsohne eine schöne Ballade ist, von der Singart und den Harmonien absolut an "Seemann" oder auch "Stein Um Stein" ist vom Gesang eigentlich nur ein neues "Heirate Mich". Der aktuelle Chart-Erfolg "Amerika", der mittlerweile jegliche Ohren erreicht haben müßte, ist eine lobenswerte Hymne und gefährdet den Hörer zum dauerhaften Mitsingen, jedoch einen HipHop-Remix mit Bushido (Aggro-Berlin) auf die Single zu pressen, paßt so gar nicht zu Rammstein. Der Text von dem eher mittelmäßigen Rapper ist erstaunlich gut, sein Rapstil geradezu miserabel (wie es aus dieser Ecke des deutschen Raps eben auch nicht anders zu erwarten ist...). Vielleicht erhoffen Rammstein sich so, nicht nur Metal-Freaks, 13-jährige Counter Strike-Spieler und (ungewollt) Neo-Nazis zu erreichen, aber vielleicht hätten sie sich dafür einfach einen besseren und würdigeren Rapper mieten sollen... Fabian Fascher
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