DJ Ötzi Superstar

Wo soll man sich schon an bitterkalten Winterabenden herumtreiben, wenn nicht in der wohligen Wärme der Kunsthalle? Von etwaigen Alternativen möchte ich gar nicht sprechen... Doch übte auch letztes Wochenende dieser Ort eine magische Anziehungskraft auf mich aus; auf der Suche nach etwas Beschallung und Nächstenliebe. Das abendliche Programm konnte mich weder schockieren noch überraschen, vielmehr zählte das Event und der allmächtige Gedanke: "Ich war dabei, was hätte ich nicht alles versäumt!"
Unpassend gekleidet wie immer, tauchte ich inmitten von zeitloser Eleganz und Coolness unter in sehnsüchtiger Erwartung auf den Act. Die Interieurs wie gehabt, also keine Bühne, sondern wahllos aufgestellte Instrumente und – Erstaunen! – keine kirchenähnlichen Sitzreihen, sondern ein leerer Dancefloor mit obiger Discokugel. Und statt heißer Rhythmen eine lange Wartezeit mit Konservenmusik.
Endlich, die Stars des Abends erschienen auf die "Bühne". Ein beleuchtetes Schild am Rande hat das Geheimnis (zumindest für Nichtkundige) aber schon längst gelüftet – die nächste Stunde gehörte Zeronic! Fünfköpfig, jung, engagiert - und leider ziemlich unbekannt. Dem außenstehenden Musikbeobachter sei verziehen, doch war der Auftritt eine echte Premiere. Der Sänger verkleidet als Nick Cave ,wie er Anfang der Achtziger auszusehen pflegte, also klassisch mit grauem Anzug (Gucci, Armani oder gar Kleiderbauer?) und schwarzem Shirt sowie glitzerndem Make-up. Die anderen Bandmitglieder sahen ziemlich unauffällig auf, sprich wie Bilderbuchstudenten der Astronomie, Physik oder Informatik, die am Campusfest schon einmal gerne einen über den Durst trinken oder auch spontan musizieren. Doch dieser Abend war anders, das Setting professionell, das Publikum vorbereitet und in spannungsvoller Erwartung. Diese wurde sogleich im akustischen Lärm ertränkt, als die einst stummen Tonwerkzeuge alle auf einmal lärmten. Eine menschliche Stimme wurde dazwischen zur kleinsten Instanz herabgesetzt, beziehungsweise zum Rauschen im Instrumentenwald. In der Branche bezeichnet man das üblicherweise als Alternative Rock, Pop etc. Meine Ohren wurden damit nicht verführt, doch anderen schien es sichtlich zu gefallen. Die Musik als Ingredienz zum Vergessen, des sich Fallenlassens, als halbstündige täglich vorgeschriebene Bewegungseinheit für den Körper. Immer wieder erstaunlich, wie man selbst im Sitzen diesen Ansprüchen gerecht werden kann. (So gesehen in der ersten Reihe links von der Mitte mit blondem Haar und alternativer Bekleidung). Wenngleich der musikalische Output zu wünschen übrig ließ (für ungeschulte Ohren wohlgemerkt!!), so schien der Sänger einen ganz sympathischen Eindruck zu machen (doch nicht so düster wie good old Nick). Nach jedem Song schenkte er der Audienz ein Lächeln, sang ansonsten mit Leidenschaft und Inbrunst (leider ziemlich umsonst – vielleicht lag es am Verstärker) und war sichtlich bemüht, Stimmung in den Laden zu bringen. So wie sie gekommen waren, so gingen sie auch wieder und überließen den Raum dem allgemeinen Gemurmel. Wer wollte, konnte sich noch T-Shirts und das aktuelle Album kaufen.
Zweifellos die interessanteste Begebenheit des Abends ereignete sich danach, als der Bandmanager Stefan Urschler mit Kollegin Eva (ich als ahnungsloser und stummer Zeuge) ins Gespräch kam und dabei die allgemeine Situation von Nachwuchsbands in Österreich bemängelte. Er möchte Zeronic in England groß rausbringen, doch stößt dabei zunehmend auf Irritation, weil allgemein angenommen wird, dass die Alpenrepublik nur Popikonen wie Falco, beziehungsweise Etagen tiefer DJ Ötzi hervorzubringen im Stande sei. Alles andere - sei es deutsch- oder englischsprachig - werde belächelt. Ein Anruf ins Königreich erfolgte dem gemäß: "Austria? Oh, heeeeey Baby – uh, ah…."
Unter diesen Umständen ist die Alternative in Form von Alternative um vieles besser und es sei Zeronic viel Erfolg gegönnt im Hinblick auf bessere Zeiten, die dann auftreten werden, wenn die internationale Öffentlichkeit dem Gerry aus Tirol endgültig den Rücken gekehrt hat.

Michaela Drescher

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