Er geht, aber nicht für immer

Noch die letzte Zigarette halb geraucht auf dem Boden zerdrückt, ein leises "Herzlich Willkommen" der Menge entgegengehaucht, schon beginnt die Show von Wa:rum mit einer wunderschönen Ballade. Wir sind an diesem Abend im Wiener Chelsea eingekehrt, dem Abschiedskonzert der Band beizuwohnen. Abschied deshalb, weil Frontmann Bernhard Eder alias Tschutt für ein Jahr ins musikverrückte Berlin ziehen wird. Aber es wird keine Trennung für immer sein, denn erstens werden Wa:rum auch in der neuen Wahlheimat ihr Unwesen treiben und zweitens ist eine Wiener Reunion in einem Jahr auch schon fest eingeplant.

Bei einem solchen Anlass war es denn auch kein Wunder, dass sich der Raum mit Beginn des Konzertes schlagartig füllte und die zahlreichen Fans die Bühne umlagerten, zumal es für jeden Gast zusätzlich eine CD gratis obendrauf gab. Und sie waren nicht umsonst gekommen. Die vier Musiker spielten einen kompletten Querschnitt ihres Repertoires herunter. Hatten wir die Band vor zwei Jahren eher als poplastig erlebt, fanden sich inzwischen auch wesentlich rockigere Stücke. Herausragend waren dabei die des Öfteren wilde Metaleinlagen spielende Gitarre, welche den Stücken die besondere Härte und Würze gab. Die Stücke wurden bilingual größtenteils auf Englisch, teils auf Deutsch gesungen. Die Texte drehten sich um die Alltagserlebnisse der Musiker, hauptsächlich um die Liebe. Sie drifteten dabei fast durchweg in das Melancholische, Sehnsüchtige, Unerfüllte, was gut zur Bernhards Stimme passte, die mal rauchig, mal hoch schwebend durch den Raum hallte.

Da gab es jazzige Stücke, bei denen die Dissonanzen direkt in die Seele eindrangen. Schnelle Stücke mit intensivem Beat der Drums verbunden mit einem betont langsamen Gesang - mit geschlossenen Augen dargeboten, der mittels der im Duett mitsingenden zweiten Stimme des Bassisten Stefan Kastner noch verstärkt wurde. Immer wieder gab es diese exzessiven Gitarreneinlagen, bei denen sich die beiden Gitarristen gegenseitig antanzten und die Klänge der sich überschlagenden kreischenden Instrumente direkt durch die zuckenden Körper der Musiker flossen. Dieses gar nicht mehr so brave Gesicht steht Wa:rum richtig gut.

Das Chelsea schien inzwischen fast ausverkauft und die vor Begeisterung pfeifenden und jubelnden Fans sangen bei jedem Song mit aufrichtigem Enthusiasmus mit und feierten ihre Band. Bei einem die Einsamkeit herausschreiendem Stück wurden dann die Verzerrer ordentlich aufgedreht. Wunderschön intensiv auch die Interpretation des Nick Drake Stücks "Place To Be", welches seit zwei Jahre nicht mehr live aufgeführt wurde und damals anlässlich eines Nick Drake Tribut Abends im Porgy & Bess ausgesucht wurde.

Danach drehte die Band erst recht auf und spielte immer wildere Songs, so dass das Publikum zum Massentanzen geradezu genötigt wurde. Auch Punkrockiges stand jetzt mit auf dem Programm, während Tschutts Stimme in immer tieferen Stimmlagen zu Tage trat. Es gelang Wa:rum wirklich alles herauszuholen, was schließlich in einer geradezu experimentellen Version von "The End Of The Day" gipfelte, bei dem die menschliche Stimme als instrumentales lautmalerisches Feuerwerk im Stil Led Zepplins herausbrach und welche wie ein kannibalischer Wirbelwind durch die Köpfe der Zuhörer fegte.

Kein Wunder, dass die Fans jetzt noch nicht genug hatten und die Band lauthals auf die Bühne zurückschrieen, welche den Rufen artig folgte und vier Zugaben drauflegte. Zunächst fing es erst einmal wieder ruhiger mit angekündigten vier Minuten Zeit, um beim Vollmondschein zu kuscheln, an. Ein Soloauftritt mit Gitarre von Tschutt, ausschließlich im Refrain durch Bassist Stefan gesanglich begleitet. Doch dann wurde es wieder schneller bis sich die Band mit einem gar nicht danach klingen wollendem "Good Bye - Aber wir kommen wieder!" Song verabschiedete. Dabei schienen die Musiker gar nicht mehr aufhören wollen zu spielen und ließen den Abend in einem wüsten Klangwirrwarr aus Gitarren und Schlagzeug enden. Doch irgendwann war dann doch Schluss und die Stimmung war etwas wehmütig, als der vorerst letzte live gespielte Akkord von Wa:rum im Verstärker verhallte. In den Gesichtern war abzulesen: Auf ein baldiges Wiedersehen!

Stefan Kuper

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