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Wohnzimmerparty
Wenn eine so bekannte Band wie Tomte aus Anlass der Präsentation ihrer neuen Scheibe "Buchstaben über der Stadt" ins doch eher kleine B72 einladen, ist es kein Wunder, wenn die Veranstaltung restlos ausverkauft ist. Überglücklich noch zwei Plätzchen ergattert zu haben, werden wir beim Eintreffen gleich mehrmals nahezu bedrängt, diese doch weiterzuveräußern. Doch solch ein Erlebnis wollen wir uns keinesfalls entgehen lassen. Als gemütliches Wohnzimmer Akustikkonzert angekündigt sollte das Ganze angesichts des vollgestopften Raums doch eher ein heißer Abend werden.
Den theoretischen Teil, also das Wohnzimmer, begründete ein gemusterter Teppichboden auf der kleinen Bühne, die gefüllt mit einem gemütlichen Sofa und weniger gemütlich aussehenden Stühlen fast unscheinbar inmitten der bebenden Meute wirkte. Glitzernde Girlanden im 70er Jahre Stil sowie eine spiegelnde Diskokugel umrahmten den umscharten Bereich, in den unbeobachteten Ecken hingegen hing inmitten bunter Plakate kitschige Adventsdekoration.
Als dann das Konzert endlich losgehen sollte, musste erst noch die Bühne geräumt werden, dort hatte es sich ein knutschendes Paar gemütlich gemacht. Dazu passend, spielte die sympathische Band nach der obligatorischen Begrüßung eine romantischen Ballade als Eröffnungslied des Abends. Danach wurde erst einmal ein wenig geplaudert und von der neuen Platte erzählt, die vor Ort auch gleich vorbestellt werden konnte. Um die Aufmerksamkeit des Publikums vollkommen einzunehmen, spielte man abwechselnd neue und alte Stücke, stets umrandet von schlauen Sprüchen. Egal was die drei sagten, das Publikum kreischte vor Beglückung. Sichtlich erfreut, bezogen die freundlichen Deutschen dieses auch ständig ein, diskutierten alles von (sogar österreichischem!) Fußball bis amerikanischer Politik und nahmen sich Zeit für Späße. Olli ließ sich beispielsweise von einem Fan ein Bier bringen, um diesem auch eines auszugeben, Zigaretten wurden ebenso freundschaftlich geteilt. Vergessen wir jedoch nicht die Zeit zwischen den Pausen... Lang genug hatte schließlich die Welt auf intelligente deutschsprachige Musik gewartet, hier war sie nun endlich. Mal träumerisch, mal messerscharf verschmolz ein jedes Wort der Texte mit den ausdrucksvollen Klängen, die Tomtes charmante Eigenheit ausmachen. Mit einem Dutzend Songs (inklusive Zugabe) bewiesen die drei Künstler ihre Kreativität, stets begleitet von ihren drei Gitarren und durch die Schreie der tobenden Meute, die dicht aneinander gedrängt ihren Idolen so nahe wie möglich zu sein versuchte. Überhaupt wirkte das Publikum noch alternativer als sonst. Die meisten männlichen Fans trugen Sweater in Primärfarben mit verdächtig vielen weißen Streifen, dazu gerne mal eine schwarzumrandete Brille und eine Flasche Frucade in der Hand. Die Frauen bevorzugten an diesem Abend scheinbar hochgeschlossene Shirts in Kombination mit glattengefönten Haaren. All ihnen gemeinsam war die Faszination in den glänzenden Augen, die stets gerichtet auf die Bühne schienen - trotz des intensiven Körperkontakts mit ihren Nachbarn.
Nach der Performance übte sich Thee noch ein wenig im "Eventtheater", das die Fans zwar etwas beschwichtigte, allerdings nicht so weit brachte, ihn und seine Kollegen von der Bühne lassen zu wollen. Erst als ein jeder sein Autogramm hatte, kehrte wieder Normalität zurück, welche zumeist aus ausgelassenem Tanzen bestand, das in vielen Fällen für den Rest der Nacht andauerte.
Eva Fischer-Ankern
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