Therapy? ODER "this beer kills nazis"

Im Wiener Flex gute Stimmung zu erleben ist ja nicht sonderlich schwer. Doch am Abend des 17. Novembers wurde die bisherige Definition von guter Stimmung neu kreiert: Therapy? und Amplifier spielten auf.

Amplifier, die Vorband, erinnerte optisch an einige junge Britpop Musiker aus den frühen 90ern, musikalisch an eine Mischung aus Metallica, einem etwas lahmen Flea und diversen Nu-Metal Bands. Dennoch wurden all ihre Klänge magisch absorbiert, der Raum füllte sich immer mehr und generelle Begeisterung brach aus, die sich bis zur Show von Therapy? bewahren sollte.

Eröffnet wurde der Gig mit 'Church Of Noise', sehr hartem Rock und häufigen 'make some fucking noise'-Zwischenrufen. Innerhalb von wenigen Sekunden rockte ein jeder mit, kein Fuß machte längeren Kontakt mit dem bebenden Boden, kaum ein Kopf wippte nicht im Takt. Vor der brodelnden Masse wandelten sich innerhalb von Sekunden die - auf den ersten Blick - Herren im gesetzterem Alter zu jungen Rockidolen, mit unvermuteten Mengen an Energie. Innerhalb eines Liedes war jeder Blick zur Bühne gerichtet, jede Kehle grölte seine Zustimmung. Die Begeisterung wurde mit 'Die Like A Motherfucker' noch größer: dieser Song wurde mit einer Widmung für Mr. Bush versehen. Die 'Fuck'-Schreie ebbten erst mit dem folgenden 'Rock You Monkeys' ab, dieses ging an die Ramones.
Zwischendurch nahm Andy Cairns, der Frontman, immer wieder einige Schlucke seines Biers, um welches er - wie es im Flex üblich zu sein scheint - ständig durch laute Rufe angeschnorrt wurde. Irgendwann hatte er dann Erbarmen und reichte seine Flasche an die ersten Reihen, die sich fortan um diese prügelten. Angeheizt wurde die Stimmung auch durch ein 'this beer kills nazis', worauf die Bar für das politische Wohl aller für den restlichen Abend geplündert wurde. Zudem testete man das Motto während 'It Kills Me' - der Teufel der Church Of Noise wurde mit Spritzern aus seiner Bierflasche beschworen und geweiht. Dies erzeugte allerdings nur ein zufriedenes Lächeln, das er mit weit aufgerissenen Al Pacino-Augen selbstsicher mit jedem seiner vielen 'Kill Me's beibehielt.
Es folgten aktuelle und immer noch aktuelle Hits, die mit großer Begeisterung empfangen wurden. Bald flogen die ersten Crowdsurfer Richtung Nowhere über die aufgepeitschte Menge, auf der Bühne war bereits ein ständiger Gaststar vertreten: eine böse Security lauerte auf Seelen. Gleichzeitig lockte die Band Aufopferungswillige nach vorn, die es tragischerweise nie weiter als bis in die Fänge des Gaststars schaffen sollten. Wenigstens hatten sie nach der Reise über die fleischgierige Masse einen Grund, sich mit Bandshirts zu bedecken: selbst für 22 Euro waren 'Die Like A Fucker'- oder 'Live Like A Motherfucker'-T-Shirts sehr willkommen.
Leider waren viel zu bald die ersten leidvollen Zugabe-Schreie zu vernehmen, die jedoch mit einem 'Vienna'-Cover von Ultravox therapiert wurden. Zudem folgte eine exquisite Verschmelzung von 'Isolation' mit Joy Divisions 'She's Lost Control' - Mr. Bush ließ erneut grüßen (wer Siobhan Faheys Interpretation nicht kennt, dem sei die sofortige Auffrischung der musikalischen Allgemeinbildung sehr nahe gelegt!).

Insgesamt ein - im positiven Sinne - abgefuckter Abend mit viel Charme des harten Rocks und politischen Witzes, der jeden Wiener den Patriotismus neu entdecken ließ.

Eva Fischer-Ankern

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