festivalwelt.de / Reportagen / A Gothic Summernight II
Vom Regen der nicht fallen wollte
Die zweite Auflage der Gothic Summer Night lockte uns an diesem Samstag in den Garten der wohlbekannten Szene Wien. Präsentierte sich doch zu nächtlicher Stunde das neuste blutjunge Projekt des umtriebigen Helmut Prixs: Chess Police. Zudem spielten außerdem SparkwoodAnd21 vor den mit Grillfleisch und Salaten verköstigtem Publikum auf. Einen Haken hatte die Freiluftveranstaltung allerdings: Wegen der einzuhaltenden Lärmschutzvorschriften mussten die Bands bereits um 23 Uhr ihre dadurch bedingt etwas kurzen Auftritte beendigt haben, danach wurde mittels deutlich leiserer Musik vom Plattenteller weitergefeiert.
Nun ist es um Helmut Prixs und seiner Stammformation Sharon Next in letzter Zeit etwas ruhiger geworden, aber von Zeit zu Zeit platzt die Musikschaffenskraft und -leidenschaft wieder aus ihm heraus, welche dann durch einen gebührenden Bühnenauftritt in die Tat umgesetzt werden muss. Daraus entstehen zahlreiche neue Projekte à la Chess Police, durch die sich die Sharon Next Verbundenheit als roter Faden hindurchschlängelt.
Mit etwas Verspätung betraten um halb zehn SparkwoodAnd21 die liegende Open Air Bühne. Die wunderbare Beleuchtung der Location mit pinkem Licht auf die Bühne überragenden Bäume und grellem gelben Kontrast im Grillbereich schuf eine sehr chillige Atmosphäre. Die Band selber lag vornehmlich im Dunkeln, einzig die Sängerin wurde durch einen ebenfalls pinken Strahler von schräg unten gespenstisch beleuchtet. Die drei waren uns ja schon von ihrem Auftritt vor einem Jahr bekannt, bei dem sie ebenfalls auf einen Schlagzeuger verzichteten und die Drums statt dessen vom Band abspielten. Die Musik hat sich derweil in eine mehr rockig gitarrenlastige Richtung weiterentwickelt, was dadurch wesentlich klangvoller und abgerundeter anzuhören war. Geblieben ist dabei der klagende weibliche Gesang zeitweise begleitet von der männlichen Stimme ihres Kollegen. Das Ganze erzeugte eine 80er Gothrock Stimmung, die von der gemütlich sitzenden und teils noch essenden Zuhörerschaft aufgesogen wurde. Währenddessen lief im Nebenraum die auch in Österreich allgegenwärtige Fußball WM, welche aber kaum Zuschauer fand.
Dann erwartete uns der Höhepunkt des Abends. Chess Police schallten ihre vergleichsweise ruhige aber dafür umso ausdrucksstärkere Performance in die Nacht. Die Zuhörerschaft war inzwischen auch schon beachtlich angestiegen und so wurde gespannt der nun folgenden Show gelauscht. Zu Beginn lag alles noch im Dunkeln, während Sänger Helmut sich sammelnd und angespannt bis in die Fingerspitzen mit einem Bier und einer Zigarette in den Händen über die Bühne streifte und dabei von den zuerst einsetzenden Drums begleitet wurde. Eine erst beim nachmittäglichen Soundcheck zusammengekommene Unterstützung durch den Gitarristen Markus von SparkwoodAnd21 brachte zusammen mit dem Keyboard das als nächstes hinzugefügte verzerrende Soundelement. Sodann trat der Frontman von unten mystisch beleuchtet ans Mikro und die Stimmung floss zusammen zu einem Stück, das Erinnerungen an alte Zeiten wach rief.
Unter den begeisterten Blicken der Fans wurde sodann das schwarze Sakko abgelegt und ein in der Tiefe des Zuhörers hämmernder Song präsentiert, der vor einigen Wochen im Angesicht des Zorns geschrieben wurde. Diese verzweifelte Hymne an den Hass, langsam rhythmisch mit einer sich intensivierenden Stimmung vorgetragen, dazu das ob des überstrahlenden Spots nur schemenhaft erkennbare Gesicht, diese Kompensation ließ die Mienen des Publikums immer mehr versteinern und die Brutalität dieser Gefühlswelt nachempfinden.
Das nächste Stück wurde mit dem für eine Open Air Veranstaltung doch eher ungewöhnlichen Wunsch: "Lass es regnen!" angekündigt. Um so mehr hätte dieser Wunsch zu den melancholischen Klängen des nächsten Songs gepasst, dessen ironisch traurige Brise vom kirchenglockenartigen Scheppern aus Richtung Schlagzeug durchbrochen wurde. Auf der Mauer hinter dem Geschehen wurden derweil düstere Visuals projektiert, die die Verbittertheit nur noch steigerte. Der letzte Song war dann wieder etwas weniger nachdenklich und mehr als Überleitung zum sich anschließenden Fest aufpuschender, indem ein raunendes Keyboard von treibenden Trommelklängen begleitet die rau gehaltenen Stimmen zu einem dunklen Ganzen erklingen ließen.
Anschließend wurden, auch wenn der Grill bereits erloschen war, die beiden Auftritte noch bis in die frühen Morgenstunden bei Musik vom mit den Künstlern besetzten DJ-Pult weitergefeiert. Bleibt zum Schluss nur noch eine ungeklärte Frage: Wohin wird der Pfad der Künste Chess Police das nächste Mal führen?
Stefan Kuper
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