festivalwelt.de / Reportagen / Summerjam
Als Erstbesucher beim Summerjam
An das erste Mal kann sich sicher jeder Festival-Liebhaber noch erinnern. Eindrücke, die man anders nie gewonnen hätte, bei manchen vielleicht ein totaler Flop, bei vielen sicher eine euphorisierende, bereichernde, unbeschreibliche Erfahrung. So wie bei mir.
Ich gehöre jetzt auch zu den Infizierten, zu den 3-Tage-nicht-Duschern, zu den schwitzend wild vor der Bühne Tanzenden, zu den Aus-der-Dose-Essern und den Dixieklo-Benutzern.
So ekelhaft das alles jetzt, zurück in der Zivilisation klingt, so verliebt bin ich darin. Auf den ersten Blick quasi. Naja, eher auf den zweiten, denn als meine Freundin Kati und ich am Nachmittag des ersten Festivaltages, Freitag, endlich am Fühlinger See in Köln ankommen, sind wir erst mal schockiert. Wir hatten uns sozusagen ganz spontan entschlossen, waren erst fünf Tage vorher von zwei Freunden überredet worden mitzukommen, hatten Hals über Kopf auf Ebay völlig überteuerte Tickets gekauft, die natürlich erst Freitagmittag ankamen, und sind dann nach Verstopfung auf der Rolltreppe der S-Bahnhaltestelle (von unseren Rucksäcken verursacht) und einem panischen Versuch, im Kölner Hauptbahnhof einen Schlafanzug für Kati zu kaufen, endlich angekommen (im Nachhinein wissen wir natürlich: Was bitte ist auf einem Festival unwichtiger als ein Schlafanzug?).
Nun sind wir da und müssen feststellen, dass wir die Menge der Leute, die hier sind, definitiv unterschätzt haben. An dem Container mit der Bändchen-Ausgabe stehen hunderte von Menschen in Schlangenlinien an. Das ist kein Problem für mich, ich mag Menschen und habe auch nichts gegen Anstehen, aber es ist heiß, der Rucksack schneidet in die Schultern, wir wissen nicht genau, wo unser Zelt steht oder die Jungs sind, die schon einen Tag vorher angereist sind. Generell habe ich spontan den Eindruck, dass so ein Festival irgendwie doch nicht so ein großer Spaß ist.
Doch als wir zwei Stunden später endlich stolz die Summerjam-Bändchen ums Handgelenk gebunden, uns zu unserem Zeltplatz durchgefragt, ohne Handynetz die Jungs gefunden und die Rucksäcke abgesetzt haben, eine Runde im See geschwommen sind und endlich das eigentliche Festival-Gelände betreten haben, ändert sich dieser Eindruck. Und zwar ganz schnell.
Festival-Erfahrene nehmen das alles vielleicht nicht mehr so euphorisch wahr und schmunzeln jetzt, aber ich bin einfach nur total beeindruckt von der Atmosphäre. Eigentlich bin ich nicht so ein Reggae-Mädchen, habe mich nie so recht mit dieser Szene beschäftigt. Ich bin einfach hier, weil es sich gerade so anbot, aber jetzt bin ich begeistert von dieser neuen Welt, von all den Menschen, viele Jugendliche aber auch ältere Menschen, Familien mit kleinen Kindern, Weiße und Schwarze, von all der ausgefallenen Kleidung und davon, dass es jedem hier egal zu sein scheint, was andere über ihn denken, Hauptsache, man selbst hat Spaß.
Nachdem wir uns Nneka angesehen haben und ich ein bisschen lockerer geworden bin, verbringen wir den Abend mit Gentleman, allerlei überteuertem Fastfood und einer kleinen Wasserschlacht am Hahn, als wir eigentlich nur unsere Flaschen auffüllen wollten.
Nachts geht es dann im See schwimmen mit den gerade neu kennengelernten Nachbarn, einer Gruppe lustiger Jungs. Und als wir alle gleichzeitig von einer der Brücken, die die Inseln des Geländes verbinden, springen, denke ich, dass so was zwar nicht nur bei einem Festival passiert, aber nur dort machen die kleinsten Dinge so viel Spaß, weil man sich einfach viel freier fühlt. Die ganze Zivilisation wird außer Kraft gesetzt.
Auch die Musik ist toll, natürlich. Dellé, Damian Marley, die Orsons, Julian Marley, Mr Vegas, Capleton… Überall Reggae-Riddims, Dancehall, kranke Shows, hier ein bisschen mehr Bass, dort mehr Gitarre, aber alles irgendwie gut. Im Nachhinein lese ich, dass zum Beispiel Gentlemans Konzert im Gegensatz zu anderen von ihm gar nicht so gut gewesen sein soll, aber für mich als Neuling ist jeder Künstler faszinierend. Besonders weil ich wie gesagt nie viel Reggae gehört habe und hier die beste Möglichkeit ist, diese Szene kennenzulernen. Und ich bin begeistert.
Mein persönliches Highlight ist das Konzert von Miss Platnum am Samstagnachmittag. Es ist einzigartig, sie live zu sehen, am Anfang mit nur wenigen anderen vor der Bühne abzuspacken, sich im Laufe des Konzerts umzusehen und zu sehen, was für eine Menschenmasse von ihrer Musik angezogen wurde und nun ausgelassen tanzt. Es macht einfach nur Spaß, da macht auch der Regen nichts aus, der die bis jetzt andauernde Hitze unterbricht. Im Gegenteil, der Spaß steigert sich dadurch noch.
Das Wochenende ist viel zu schnell vorbei.
Als ich am Sonntag völlig übermüdet nach Hause komme, bin ich überrascht, wie sauber und geruchsneutral alles ist und wie viele neue Dinge man in nur 2 Tagen erleben kann, wie anders man sich danach fühlt. Irgendwie lockerer. Und ich weiß jetzt definitiv, was in den Rucksack gehört und was nicht. Sonnencreme, Dosenravioli und Wechselklamotten, falls man nass wird ja, Schlafanzug, Geschirr und Handy sind unnötig.
Schade, dass man die Tickets fürs nächste Mal noch nicht kaufen kann. Hätte ich sie jetzt schon in der Tasche, wäre ich nicht so traurig, dass es für dieses Jahr schon vorbei ist.
Jette Klimmeck
* Kommentare lesen/verfassen *
* E-Mail an den Autor * Eigenen Bericht schreiben * Zurück zur Auswahl *
|