Goldregen

Am Pumperlberg treffen sich auch heuer wieder eingeschworene RaB-Fans, um zwei Tage und Nächte lang die heißesten Newcomer und legendärsten Rocker live zu erleben. Aufgrund der vorangegangenen starken Regenfälle und Überschwemmungen ist zwar den Boden ziemlich aufgeweicht, doch diesmal scheint der Wettergott gnädig gestimmt, und alles bleibt trocken. Lediglich die Temperaturen sind eher frühlingshaft denn sommerlich, was dann doch viele Besucher in das riesige Bierzelt treibt, obwohl draußen die Mucke abgeht.

Den Anfang machen die fünf Jungs von 21 Stories, die trotz ihrer jungen Jahre keineswegs scheu agieren, sondern mit dem Publikum munter drauflos plaudern, Witze reißen und so nebenher noch richtig gut Musik machen. Lustig sind sie und bezeichnen sich selbst als Fun Punker, was sie mit einem Karma Chameleon-Cover eindrucksvoll beweisen.

Mit Trompeten und Posaunen verbreiten dann Jesus Christ Smokes Holy Gasoline karibisches Festival-Feeling. Frontman Haubi, langzotiger Rastafari, hat während seines Auftritts ständig die Augen geschlossen, sodass sich die Frage stellt: Kann er überhaupt was sehen? Unweigerlich ist nun auch der Song Skaterpillar zu verstehen, der entstand, so erzählt er, als er besoffen versuchte, Skateboard zu fahren, was natürlich nicht ganz unfallfrei endete. Vermutet man bei den 5 Bugs, fünf süße Käfer, so wird man enttäuscht, denn Leadsänger Chris entpuppt sich als echte Rampensau, der im Ripp-Unterhemd wie ein kleiner Bug über die Bühne fegt. Ein starker Auftritt des Berliner Quintetts, bei dem kein Tanzbein unbewegt bleibt. Selbst zwischen den Songs werden freche Kommentare eingeschoben, um die Menge nicht abkühlen zu lassen.

3 Feet Smaller haben ein neues Album am Start und präsentieren sich gewohnt punkig-rockig, fordern das junge Publikum zum Circle, bei dem dann aufs Heftigste rumgesprungen wird. Marcus lässt sich den Spaß nicht nehmen und "fliegt" mitsamt Gitarre vom aufgebauten Kletterturm quer über das ganze Gelände. Schließlich veranstalten sie noch den obligatorischen Luftgitarrenwettbewerb und küren die Österreicher als "best sellers in the world". Als nächstes verzaubert Vriska Viljor mit melancholischen Melodien und sehr gewöhnungsbedürftigem Gesang, der sich jedoch bald wohlig in die Gehörgänge schmiegt und bis tief ins Herz vordringt. Bärtig und mit langen Haaren nähren die beiden Bandgründer das Bild von verwilderten Schweden, die keinen Alkohol vertragen, und der doch Sinn ihres Lebens ist.

Mit den Delinquent Habits kommt der Hauptact des ersten Tages auf die Bühne. Die beiden US-Amerikaner verwöhnen mit bestem Latin-Hip-Hop, müssen jedoch an die Bier-auf-die-Bühne-werfenden Fans einige ernste Worte richten, ehe sie sich ganz und gar mit hartem Rap gegenseitig übertrumpfen. Sowohl während als auch nach dem Gig werden einige Flaschen Tequila gemeinsam mit den feiernden Fans vernichtet, sodass sich einige Mitstreiter am nächsten Morgen total verkatert irgendwo auf einer Wiese aufwachend wieder finden.

Am Nachmittag des nächsten Tages spielen The Beth Edges. Das Quartett aus Linz kommt mit frechem Indie-Rock, vielleicht etwas britisch angehaucht, was dem Ganzen einen gewissen Charme verleiht. Sehr süß, sehr jung, sehr talentiert. Angekündigt als Hesslers kommen die vier Baden-Württemberger mit dem neuen Namen The Intersphere auf die Bühne. Und was in dieser Band steckt, lassen sich selbst die Herren von Selig nicht entgehen und mischen sich ehrfürchtig unters Publikum. Gleich beim zweiten Song Prodigy Composers kommt Gänsehautfeeling auf, wenn sich zerbrechlich wirkende Passagen mit hartem purem Progressive Rock abwechseln. Bassist Sebastian wagt sogar einen Sprung von einer der Boxen und erreicht gut und gerne einen Luftstand von 2 Metern Höhe. Die Jungs kommen irrsinnig nett und sympathisch rüber, jeder verkörpert einen eigenen Typus, fast könnte man schon meinen, sie wurden gecastet, sind jedoch eine seit Jahren zusammengeschweißte Band. Beim Finale rasten die vier schließlich total aus: Leader Christoph wälzt sich am Boden, Drummer Moritz schlägt derart ungestüm auf sein Equipment ein, dass Teile davon umfallen und Gittarist Thomas quält sein Instrument fast bis zum Zerbersten. Keine Frage: Der beste Act des diesjährigen Rock am Bach.

Die Trashmonkeys sind schon etwas reifere Herren, im Gegensatz zu den vorangegangenen Bands. In bodenständiger Manier absolvieren sie ihren Auftritt, können aber den bisherigen Level nicht ganz halten. Jonas Goldbaum tritt mit neuer Band auf, weiß aber trotzdem nicht wirklich zu überzeugen. Diese subjektive Meinung spiegelt auch die gedrückte Stimmung der Festivalbesucher wider. Gerne im Radio, aber leider nicht live zu empfehlen. Julia, die Wiener Rockband der letzten neuen Jahre, spielt einen ihrer letzten Auftritte auf dem RaB, eine Abschiedstour steht schon in den Startlöchern. Vielleicht genau deshalb feiert eine Menge Fans wie ausgelassen zu den rockigen, von FM4 bekannten Songs. Viele werden diesen Gig, und die Band sowieso, nicht vergessen.

Mit Sehnsucht erwartet, mit großem Applaus begrüßt, machen Selig endlich auch die letzten lange Wartenden glücklich. Großartige neue Songs (Schau Schau), großartige alte Songs (Sie hat geschrieen, Ist es wichtig) prasseln wie Goldregen auf die lechzende Meute nieder. Jan betört mit seiner Stimme mehr denn je und Selig macht seinem vorauseilenden Ruf alle Ehre. Neuhofen tobt und wer für das Frequency in St. Pölten noch keine Karten hat, sollte eiligst schauen, dass er noch welche bekommt. Denn Selig hat leider keinen Österreich-Termin auf seiner Herbst-Tour, und verpassen sollte man diese einmalige Band auf keinen Fall.

Roman Macher

* Kommentare lesen/verfassen *
* E-Mail an den Autor * Eigenen Bericht schreiben * Zurück zur Auswahl *