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Rumgehüpfe im Regen
Es ist Freitag, Freitag der 11. August im Jahre 2008. Endlich nähern wir uns Neuhofen, Neuhofen an der Ybbs - gleich bei Amstetten, für die Ortsunkundigen. Ein brennend heißer Nachmittag, der uns ohne Klimaanlage in unserem fahrbaren Untersatz verschwitzt und ein wenig mit Sorge ob der heranziehenden dunklen Wolken ankommen lässt. Die Beschilderung scheint ein wenig verwirrend, doch das kann alte Festivalhaudegen, sowie eine unzählige Schar an sauflustigen Jugendlichen nicht daran hindern, den Pumperlberg für die nächsten 2 Tage zu ihrem Terrain zu erklären.
Obwohl die erste Band erst für 18:10 Uhr angesagt ist, ist der Campingplatz bei unserer Ankunft um kurz vor halb sechs bereits gut belegt. Am Eingang herrscht dagegen noch kein großer Andrang, von Securities weit und breit nichts zu sehen und auch die drei gut gelaunten Herren beim Ticketverkauf scheinen wie wohl das ganze Festival unter dem Motto "no stress - easy going" zu stehen.
Wir genehmigen uns nach der langen Fahrt erst mal ein Bier und inspizieren das Gelände. Ein riesiges Festzelt mit einer Reihe von Heurigenbänken empfängt die Besucher, hier gibt es reichlich Platz, um die angebotenen Speisen und Getränke zu verzehren. Auch eignet sich dieser Unterschlupf noch für ganz andere Zwecke, aber mehr davon später.
Im Freien fällt uns neben der links liegenden Bühne erst mal der spektakulär wirkende Kletterturm ins Auge, auf dem bereits einige wagemutigen "Athleten" ihr Können unter Beweis stellen - manche mit mehr, andere mit weniger Erfolg, aber stets gut gesichert durch das geschulte Personal. Ein Sponsoring jener Bank, deren Namen wir hier nicht erwähnen wollen, die jedoch im hinteren Teil des Areals ein gelbes Zelt aufgebaut hat und deren hübsche junge Mitarbeiterinnen fleißig aufblasbare Gitarren und Riesenhände verteilen.
Inzwischen treffen wir Andreas Mathais, seines Zeichens Mitorganisator des RaB 08, der uns darüber informiert, dass die zweite Band auf dem Spielplan "Paulsrekorder" in Passau dem Stau zum Opfer gefallen ist und deswegen der Start ein wenig hinausgezögert wird. Außerdem ist der Kartenvorverkauf so gut gelaufen, dass bereits jetzt 1.400 Ticketsüber die Ladentheke gegangen sind - mehr als im Vorjahr - und wir daher mit ca. 1.700 Zuschauern rechnen dürfen.
Mit nur wenig Verspätung eröffnet "Atlas" den Musikreigen. Lokalmatador Daniel Schiefer sei seine Nervosität verziehen, singt er doch zum ersten Mal auf einer so großen Bühne. Nach zwei, drei Songs ist auch der letzte Zweifel hinweggefegt und er verzaubert uns mit seiner sanften Stimme und ebensolchen Melodien, die vom stoisch wirkenden Bassisten Robert Ebner und dem Schlagzeuger Reinhard Halbmayr mitgetragen werden.
Einige Schwierigkeiten bereitet dann den Jungs von "Paulsrekorder" der Soundcheck, aber kurz nach halb acht starten die fünf aus Bremen mit einer furiosen Vorstellung und locken auch noch die letzten paar Leute aus dem sowieso viel zu stickigen Partyzelt. David ist ein wahrer Wirbelwind auf der Bühne und überzeugt mit ausgefeilten deutschen Texten untermalt von wunderschönem Synthie-Pop ganz im Stil von Tom Schilling und trifft damit genau den Puls der dicht gedrängten Jugend. Kai an der Gitarre reißt mit seinem charismatischen Außenseiter-Aussehen und wilden Riffs die Menge zu wahren Jubelausbrüchen hin. Auch hierzulande ist ihre Single "Anna" bereits bekannt - kein Wunder, geht der Song sofort in Ohr und Bein. Bei ihrem ersten Auftritt in Österreich wird den Deutschen auch gleich der ländliche Dialekt eingebläut, sollen sie doch "a Knedl essen und a Bia trinken". Die Fans sind aus dem Häuschen und "Paulsrekorder" geben nach langem Hin und Her, welchen Song sie performen sollen, gleich alle zwei zur Auswahl stehenden Zugaben.
"Velojet", die dritten im Lineup, zeigen mit ihrem leichten Gitarrenpop eine solide Show und stellen so einen guten Kontrast zwischen ihren Vorgängern und der folgenden Band.
"Guadalajara" sind eine der gefragtesten Ska-Punk-Vertreter in unseren Landen und präsentieren sich mit ihren glänzenden Blechblasinstrumenten in Hochform. Der Großteil des Publikums tobt, während andere sich sturzbetrunken auf dem Boden schlafend zwischen all den Feiernden zusammenrollen und das Beste verpassen. Wir finden es ist Zeit für eine kleine Stärkung und probieren das kulinarische Angebot im Festzelt aus. Die Schnitzelsemmeln munden zum frisch gezapften Bier und langsam aber sicher kommen wir zum Hauptakt des ersten Tages.
Seit mittlerweile 12 Jahren sind "Slut" aus Ingolstadt musikalisch unterwegs und beweisen uns ihre lange Bühnenerfahrung mit einem Auftritt in alter Rockermanier. Den Festivalgästen gefällt's und spenden fleißig Beifall. So geht der erste Tag zu Ende, wenn auch noch fest weitergefeiert wird - wir vermuten mal bis in die frühen Morgenstunden.
Mit frischer Energie und reichlich Sonne begeben wir uns am späten Nachmittag erneut zum Pumperlberg, gerade rechtzeitig um den fulminanten Start der jungen, aber sehr talentierten Band "From Dawn To Fall" zu erleben. Obwohl es erst kurz nach 17 Uhr ist, reißen die fünf Jungs rund 250 Fans zu wahren Begeisterungsstürmen hin. Selten haben wir eine Newcomerband gesehen, die so präsent auf der Bühne ist und sichtlich Spaß am Musizieren hat. Die Securities sind so früh am Abend ein wenig überfordert, springt doch ein übermütiger und vermutlich mit nicht ganz legalen Substanzen vollgepumpter Jugendlicher mit schulterlangen Dreads auf die Bühne und tanzt mehr als eine Minute lang mitten unter den weiterrockenden Artisten, bevor die Sicherheitsleute überhaupt erst checken, was da abgeht. Wir sind jedenfalls der Meinung, dass diese Jungs mit ihrem Emo-Rock den besten Auftritt des gesamten Festivals abliefern und verleihen ihnen hiermit den Titel "Best Live-Act RaB 2008".
Nach brennender Hitze den ganzen Nachmittag setzt pünktlich in der Pause das lange angekündigte Gewitter ein. Tiefschwarze Wolken drängen vom Horizont heran, heftige Sturmböen fegen über die Kornfelder und das Festivalgelände hinweg und wenige Minuten später schüttet es aus vollen Kübeln. Es herrscht Weltuntergangsstimmung am Himmel, die Besucher flüchten sich ins große Bierzelt, wo ein Sponsor hunderte von gelben Regenhäuten austeilt, sodass bald genauso viele Ampelmännchen herumlaufen. Fast eine halbe Stunde dauert der sintflutartige Regen an und die Erde kann das in so kurzer Zeit herunterprasselnde Wasser nicht verkraften: selbst in das rundherum dichte Zelt rinnt bald schlammige Brühe von unten hinein.
Die Feuerwehr Neuhofen jedenfalls leistet ganze Arbeit und mit nur einer halben Stunde Verspätung kann "Stigma" ihren Gig beginnen. Vor kurzem haben die vier Deutschen ihr drittes Album in die Läden gebracht und bezaubern uns mit gefühlvollen Texten zu perfekter Musik. Damit liegen sie goldrichtig und bringen gute Laune zu den sowieso schon ausgelassenen Schlammschlacht-Anhängern. Denn wie sagen sie: zu einem gelungenen Festival gehören Regen, geile Bands und geiles Publikum.
Mitten in den Umbauarbeiten zur Bühnenausstattung für ".sPout." beginnt es wieder zu regnen, was uns aber nicht davon abhält, den überraschten Bandmitgliedern eine Torte zu ihrem 10jährigen Jubiläum zu überreichen. Die vier Österreicher danken es uns nicht nur, indem sie zum bereits 4. Mal auf dem RaB spielen - und dafür sogar einen anderen Gig abgesagt haben - nein, sie rocken auch, was das Zeug hält und bringen die Menge zum Brodeln. Schließlich sind sie hier quasi schon zu Hause und in den Herzen der Fans.
Trotz weiterhin strömenden Regens können "The Staggers" mit ihrem 60's-Garage-Trash-Rock eine gut gelaunte Mehrzahl der Festivalbesucher aus dem trockenen warmen Bierzelt locken und liefern dank ihres extravaganten Leadsängers Wild Evel eine ebenso wilde Show ab.
Nicht ganz so wild, aber nicht weniger rockig geht es mit "I/O" weiter, die unter anderem mit ihrem Song "Fight Back" gegen Rechtsextremismus einheizen, genau richtig als Einstimmung für den Haupt-Act des Abends.
"Jennifer Rostock" lockte endlich die Sterne hervor und mit dem Regen war es erst mal aus - gottseidank. Aber nicht mit der Party, denn die ging jetzt erst richtig los. Jennifer, eine Mischung aus Nena und Judith Holofernes, sowohl nach ihrem "Rum"gehüpfe (jaja, der örtlich ausgeschenkte Rum schmeckte ihr pur sehr gut *g*) als auch nach ihrem Gesang, tourt seit Wochen durch die Lande und findet auch an kleinen Festivals ihren Spaß und lässt so richtig die Sau raus. Sie gewinnt damit wieder einige Anhänger zu ihrer ohnehin schon riesigen Fangemeinde. Durchaus verständlich ob der eingängigen Melodien und Texte, einer Mischung aus Pop, Rock und ein wenig Punk. Ich geb's zu: auch wir sind ihr verfallen *schmacht*.
"Ein schöner Tag zu Ende geht, die Sterne sind erwacht", kommt uns beim Verlassen des Geländes in den Sinn. Ein wenig melancholisch, ein wenig müde, ein wenig durchnässt und ein wenig "gatschig", aber durchaus gewillt beim nächsten Rock am Bach wieder dabei zu sein, hat uns dieses Jahr in Neuhofen sehr viel Spaß und Lust auf mehr gemacht. Wir sehen uns bestimmt wieder!
Roman Macher
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