Eine sommerliche Gartenparty

"A Gothic Summer Night" letzten Freitag in der Szene Wien stand, wie man wohl meinen müsste, ganz im Zeichen von Melancholie, Morbidität und Masochismus? Am Eingang grüßte schon ein schwarzer Flyer mit weißer Umrandung (bei Todesanzeigen macht man es genau umgekehrt) ein Open Air Konzert ankündigend, wobei die kleingedruckten Worte "Garten" und "Beisl" einen leichten Widerspruch vermuten ließen. Ein weiter Lichtblick – ein Lagerfeuer, wohl zum Auftauen der dunklen Gedanken? Meine Befürchtungen erwiesen sich als völlig unbegründet. Was als "Gothic Summer Night" angekündigt wurde, entpuppte sich zu einer angenehmen und freundlichen Location mit einer kleinen Bühne, bunten Scheinwerfern, einer Grillbar und Heurigenbänken. Weiter hinten ein hübscher Garten samt klassischem Metallmobiliar – eine wunderbar grüne Abwechslung zum kalten Großstadtgemäuer.

Angesagt waren "Prixs", ein neues Bandprojekt mit schwarzen Wurzeln bei dem Wiener Urgestein Sharon Next, und der Experimentalsolokünstler Günther Bauer (auch bekannt als DJ D.A.V.E.) alias "Violation of Sound". Als es endlich dunkel wurde, war es soweit. Ich musste unweigerlich ans Open-Air-Kino denken. Auch hier eine Leinwand, doch zusätzlich mit flackernden Kerzen auf Eisenständern. Allerdings spielte der Wind nicht mit... Still und heimlich waren sie auf die Bühne gekommen, Helmut Prixs und seine Band, doch waren die erhöhten Bretter zu klein, und so mussten Gitarrist und Bassist im Schatten der Boxen musizieren. Frontman Prixs im dunklen eleganten Anzug sang mit tiefer sonorer Stimme von Liebe, Tod und Leidenschaft, dennoch war in seiner Musik ein Lichtblick zu spüren; man fühlte, dass dies nicht als dunkle Mystik aufgefasst werden durfte, sondern als Teil des (normalen) Lebens zu verstehen ist. Nicht also die übliche Schwarzmalerei, die fast immer ohne Ironie vorgetragen wird, sondern einfach ein Hinabschauen in den tiefen Brunnen der Ursuppe. Prixs legte dabei auch keinen Spott an den Tag oder überzogene Gesten, sondern sang mit Herz und Verstand von Aspekten des Alltags. Begleitet wurde er dabei von seiner exzellenten Band. Diese produzierte einen interessanten Sound mit Einflüssen von Joy Division, New Order, aber auch kontemporärem Britpop. Das dunkle Element wurde vorwiegend durch Prixs Stimme und dessen Hände, die absichtlich eine Spur zu dicht das Mikro umklammerten sowie einem Megaphon hineingewoben. Beim letzten Lied spielte dann die Anlage nicht mehr so ganz mit, doch trübte das keineswegs die wunderschöne Stimmung, die während des Auftritts herrschte.

Ein ganz anderes Kaliber war "Violation of Sound". Tonvergewaltigung? Nun, mit Gewalt hatte die Verwandlung der Bühne wenig zu tun: Sobald das konventionelle Equipment fortgetragen wurde, erschienen ein Tisch, eine Leselampe und ein Synthesizer - und später dazu der Meister persönlich. Optisch große Ähnlichkeit mit Moby, stilistisch an "Goethes Erben" erinnernd. Günther Bauer zauberte ein Buch hervor und begann zu elektronischen Klängen zu rezitieren. Das Stimmorgan funktionierte als Meeresrauschen, das mit unterschiedlicher Tonlage über das Publikum hinwegbrauste. Große Aufmerksamkeit war vonnöten, um der Prosa wie auch der Poesie zu folgen. Und das erfüllte dann den späteren Abend, weniger war von traurigen bis depressiven Empfindungen die Rede, sondern viel mehr vom Mysterium des Lebens. Hätte auch als elektronischer Verschnitt von "Peter Handke goes Soundexperiment" durchgehen können. Vollends Nachts wurde es dann, als dann die DJ-Riege das in die Hand nahm, was vom Abend übrig blieb.

Michaela Drescher

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