Deutscher Punk mit schottischem Whiskey

Alljährlich findet in der grünen Lunge Wiens, dem vielbesungenen Prater, ein Festival zur Feier des Tags der Arbeit statt. Wer keine Lust hat, mit Trillerpfeife und großem Plakat mit gleichgesinnten Genossen Lärmen zu gehen, findet sich an solch einem Tag bevorzugt dort ein, wo gute Musik statt politischer Propaganda die erste Geige spielt. Verbunden mit dem europäischen Band Contest International Live Award wird ein friedliches Fest abseits der großen Demonstrationen gefeiert. Als Veranstalter tritt dabei das Planet Music auf, in welchem auch schon die Vorrunden zum Band Contest stattfanden, so dass sich nun die Essenz der musikalischen Vorauswahl dem Publikum und einer Jury zur Siegerauswahl präsentierten. Den krönenden Abschluss des Festivals verheißen anschließend die Auftritte der Real McKenzies und Gods Of Blitz.

Diese Kombination aus guter Musik, freiem Eintritt, lukullischen Köstlichkeiten sowie trillerpfeifenfreier Zone lockt auch in diesem Jahr bei strahlendem Sonnenschein Tausende vor die Bühne und auf die umliegenden Wiesen in Wiens Nordosten. Es feiern Punks neben Familienvätern, Vorstadtgirlies tanzen mit alten Groupies, alles wird zu einer großen Familie zusammengeschweißt. Wer eine Pause vom musikalischen Treiben will, versorgt sich an den zahlreich aufgestellten Getränke- und Essensständen oder - Geheimtipp - geht geldsparend ein paar Meter zum Kiosk bei der Straßenbahnstation. Wer ganz lauffaul ist, dem steht auch die Lilliput-Bahn zur Rundfahrt im gesamten Prater und als Verbindung zum Besuch des eigentlichen Schaubudenareals mit dem Riesenrad zur Verfügung.

Nachdem das ungarische Fugato Orchestra den Reigen der zehn am Finales des Band Contest teilnehmenden Gruppen abgeschlossen hat, steht die Wahl zum Sieger des International Live Awards an. Dieser ermittelt sich dabei durch eine gemischte Wertung aus Publikumsstimmen und Juryauswahl. Angetreten waren Musiker aus Österreich und dem umgebenden Ausland, nicht nur um die begehrte Trophäe und die reichlichen Preise einzustreichen, sondern in erster Linie um die einmalige Gelegenheit wahr zu nehmen, ihr musikalisches Talent vor einem tausendfachen Publikum vorzutragen.

Die für die Auszählung der Publikumsstimmen und Beratung der Jury notwendige Pause wird mehr als würdig vom Auftritt der Gods Of Blitz gefüllt. Die Berliner Punkrocker mit dem - zumindest mich -leicht an eine junge Mischung aus Mick Jagger und Ashton Kutcher erinnernden Frontmann Sebastian Barusta Gäbel bringt den gut gefüllten Platz vor der Bühne zum Kochen und kreischende Fans feiern ausgelassen. Von den schon vielgerühmten Live-Qualitäten der instrumental eher minimalistisch dafür aber um so stimmgewaltiger vorgetragenen Performance konnte sich jeder überzeugen.

Die sich anschließende Siegerehrung, bei der auch Gewinne unter den Fans verteilt werden, ist dann doch etwas langatmig, bis schließlich die Siegerband Rooga unter gewaltigem Applaus noch eine Extranummer auf den Brettern der Bühne hinlegt. Man muss zugeben, show- und musiktechnisch ein wahrlich gebührender Sieger mit einer in den Bann ziehenden leidenschaftlichen Bühnenpräsenz, die bei der Zugabe sogar so weit geht, dass der Bassist auf der Bühne beim Herumspringen hinfällt und der restliche Song ohne diesen dargeboten werden muss.

Wer schon immer einmal unter einen Kilt schauen wollte, dem seien die als krönender Abschluss des Festivals auftretenden Real McKenzies empfohlen. Diesen gewährt Sänger Paul McKenzie bei seinen wilden Pirouetten während der Show ein ums andere Mal. Und auch sonst sucht die Show in Bezug auf Temperament sowohl auf der Bühne als auch im Publikum ihres Gleichen. Selten kann soviel Gepoge, Herumgehüpfe und Crowdsurfen zu mitreißenden Punkklängen erlebt werden. Woher all diese Kraftreserven zur späten Stunde noch kommen, ist wirklich schleierhaft - aber so genau interessiert dies sowieso keinen, solange der Strom von guter Musik nicht abreißt. So werden alle Besucher noch lange an die nicht allzu politische, dafür aber um so fröhlichere Feier zum ersten Mai zurückdenken.

Stefan Kuper

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