Regen trifft jedes Haupt

Sonntag Mittag, Ende April. Die ersten Lichtstrahlen dringen durch die verbarrikadierten Fensterscheiben ein und erinnern an die lange Nacht vor dem Tag, der aus nichts als Schlafen bestehen könnte. Man könnte nun seinem Instinkt folgen und die Zeit vor dem abendlichen Frühstücken mit einer intensiven Konversation mit dem Kopfkissen verbringen. Oder aber man geht nach draußen, in die Natur, den freien Tag genießen, durch die frühlingshafte Stadt spazieren. Es ist fast Mai, somit siegt die aktivitätssteigernde Freude auf Wärme. So gibt es in Wien einige schöne Tage im Jahr, an denen gute Musik für einen guten Zweck präsentiert wird. In meinem Fall sollte es das Open Air gegen Rassismus sein, das mich hinaus ins Pratergebiet zog. Außerhalb des Hauses angekommen sollten die Illusionen der Wärme nichts weiter als die dem April eigene Ungeduld gewesen sein - statt gleißenden Sonnenstrahlen tropften dicke Regentropfen herab. Im Pratergebiet allerdings hatte man ein gutes Mittel gegen die drohende Verkühlung: wärmende Musik. Acht Bands sollten über den Nachtmittag und Abend verteilt aufspielen, auf einer großen Bühne in der Mitte eines kreisförmigen Areals, das von Verkaufsbuden begrenzt wurde. Diese frequentierte man zwar weniger wegen sommerlicher Drinks und leichter Kleidung, dafür sollten die von den Besuchern gelobt werden, die Decken und warmen Kaffee zu bieten hatten. Das Publikum zeigte sich unter ihrer hauptsächlich wetterfesten Vermummung alternativ und weltoffen, waren schließlich Kälte und Regen kein Grund, nicht gemeinschaftlich die Idee der Veranstaltung zu feiern. Man hieß Fremde unter den eigenen Schirmen willkommen, lauschte gemeinsam der Musik, demonstrierte die Abneigung gegenüber jeglichen Rassismus durch Anwesenheit.
Die erste Band des Tages, Friek, blieb mir optisch leider verschlossen. Zum Takt einer exzellenten Version von Kraftwerks "Das Model" stapfte ich über den nassen Pfad durch den Prater, um dann nach zwanzig Minuten meine geographischen Kenntnisse Wiens zu überfragen und schließlich irgendwann doch noch zur Bühne zu finden. Auf dieser hatten sich bereits die Fortunas Favourites versammelt, die mit gewohnt guter Laune ihre energiegeladene Musik darboten, als wäre es Sommer. Dank dieser war die Erinnerung an die Kälte aufgeschoben, die erst wiederkommen sollte, als die Band viel zu früh das in kalten Tönen gefärbte Rampenlicht verließ. Der Vorstellung folgten einige Worte der moderierenden MCs, die ihren Verein "ZARA" ins allgemeine Gedächtnis riefen, dessen Ziel die Verhinderung von Rassismus durch Beratung und Information ist. Das Publikum zeigte sich wie schon von der Musik angetan und bewies trotz des mittlerweile nur noch nieselnden Regens Solidarität. Seizu, die nächste Band, rappten engagiert über das urbane Leben und dessen Missstände, mit treffenden Lyrics und hartem Takt. Pünktlich zum Ende ihres Auftritts lichtete sich der Himmel und ließ einige wärmende Sonnenstrahlen auf den kalten Grund samt frierendem Publikum herab. Wenige Minuten später stand plötzlich ein einzelner Mensch auf der riesigen Bühne und bot alternative Balladen mit seiner Gitarre und einem Computer zu seinen Füssen dar. Nach einem Lied sollte sich herausstellen, dass es sich dabei um Kolkhorst handelte, einem Musiker aus Hamburg, der mit wenig Feingefühl betonte, wie sehr er doch die hiesige Sprache, den sogenannten "österreichischen Dialekt", schätzen würde. Man konnte aus mehreren Ecken das Wort "Diskriminierung" vernehmen und zog sich dann lieber doch für einen heißen Kaffee zurück. Ihm folgte der von einigen Fans lang erwartete Auftritt der Hörspielcrew, denen erneut ein Interlude auf Englisch voranging, in denen die Notwendigkeit der Projekte ZARAs erläutert und ein Auszug der Statuten verlesen wurde. Mit Begeisterung wurde auch die Hörspielcrew aufgenommen, die mit intelligenten wie treffenden Texten die beschwingte Masse anheizte. Die Band wirbelte über die Bühne, umklammerten die Mikrophone wie das Publikum ihre wärmespendenden Regenjacken. Für mich persönlich leider der letzte Eindruck des Tages. Mit auf den Weg nahm ich eine Verkühlung und die Erinnerung an einen politischen Tag, der einmal nicht im Zeichen einer Partei stand.

Eva Fischer-Ankern

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