festivalwelt.de / Reportagen / Nova Rock Festival
Hitzestau
Endlich ist es wieder so weit, Österreichs größtes Rockspektakel Nova Rock eröffnet den alljährlichen Festivalreigen mit über 150.000 Besuchern an drei Tagen auf den burgenländischen Pannonia Fields. Mit seiner sechsten Auflage ist dieses Fest gleichzeitig das bedeutendste und spannendste Rockgroßevent des Jahres. Hier treten Jahr für Jahr die Größen des Rockhimmels auf. Heuer seien dabei an erster Stelle die schier vor Kraft und spektakulärer Bühnenshow strotzenden Rammstein genannt. Gewürzt wird der gigantische Aufmarsch der internationalen Rockgrößen mit einer Portion Pop- und Punkbands zum wahlweise Abtanzen oder Genießen sowie den aufstrebenden heimischen Musikern. Zusammen ergibt sich dieses exklusive Elixier, das Jahr für Jahr zehntausende Fans ins östliche Flachland Österreichs pilgern lässt.
Wo das ganze Jahr über die Beschaulichkeit vorherrscht, entsteht in mühsamer liebevoller Arbeit eine ganze Rockstadt, um drei wunderbare Tage Festivalerlebnis zu garantieren. Dabei kann der Veranstalter auf ein eingespieltes Team zurückgreifen, das die Organisation perfekt im Griff hat. Durch ständiges Verbessern der Infrastruktur und dem Hinzufügen diverser Extras wird das Nova Rock jedes Jahr noch ein Stück gemütlicher. So gibt es neben den Bühnen und den üblichen Nahrungsständen auch eine kleine Krimis zur Ablenkung für die Pausen zwischen den Bands. Natürlich kann auch in der Einkaufsmeile die Festivalausrüstung mit solch nützlichen Dingen wie Strohhüten und Neonarmreifen ergänzt werden. Besonders hervorzuheben ist auch das Massagezelt zur Entspannung der vom Headbangen in Leidenschaft gezogenen Nackenwirbel. Für den durstigen aber preisbewussten Festivalbesucher gibt es neben einem kleinen Supermarkt am Campingplatz auch diverse kostenlose Trinkwasserstellen in der Nähe der Bühnen. Die Dekadenten und Luxusverwöhnten unter den Besuchern haben statt dessen ein VIP Ticket erworben und genießen die Shows von einer exklusiven VIP Tribüne mit angeschlossenem Gastronomiebereich.
Zum ersten Mal hat das Nova Rock heuer eine dritte Bühne bekommen. Der als Plingg Stage bezeichnete Platz befindet sich in einem geräumigen Zelt zwischen den beiden Hauptbühnen. Hier haben vorab per Internetabstimmung auserkorene österreichische Nachwuchsbands die Chance, einem größeren Publikum ihre Kunst darzubieten und sich bejubeln zu lassen. Ein Angebot, das trotz der dort vorherrschenden Hitze so manchen Fan in seinen Bann zieht.
Ein Nova Rock ohne Regen, das kann es eigentlich gar nicht geben. Doch, in diesem Jahr blieb das Wetter fast perfekt bei Hochsommerlichen 35 Grad und unerbittlicher Sonne. Umso verwunderter ist das Auge, wenn gegen Abend des zweiten Tages ein paar zunächst harmlos anmutende Wolken am Himmel aufziehen. Doch was dann herannaht, muss direkt aus der tiefsten Hölle geschickt worden sein. Binnen weniger Minuten eilt eine unheimliche Gewitterfront heran, dessen orkanartige Winde nicht nur einen apokalyptischen Sandsturm hervorrufen, sondern die besonnenen Veranstalter sicherheitshalber zur Räumung des gesamten Geländes veranlassen. Und tatsächlich entpuppt sich das Unheil als Jahrhundertunwetter, welches im nicht weit entfernt liegenden Wien zu diversen Verwüstungen führt. Nicht auszudenken, was mit dem relativ ungeschützten Festivalgelände in flacher ungeschützter Ebene geschehen wäre. Doch anscheinend helfen die zahlreichen bangen Blicke der Festivalbesucher gen Himmel und das Unheil zieht ein paar Kilometer am Gelände vorbei, so dass die Veranstaltung nach einer guten Stunde Pause weitergehen kann.
Der erste Tag steht musikalisch ganz im Zeichen der deutschen Ausnahme Band Rammstein. Leittragende sind die zuvor auftretenden Stone Temple Pilots. Die nach 5 langen Trennungsjahren in 2008 wiedervereinten Legenden haben einen ihrer rar gesäten Österreichauftritte und dann so etwas. Zahlreiche Rammsteinfans haben sich bereits seit Stunden im Wellenbrecher vorne versammelt und können den Auftritt ihrer Helden gar nicht mehr abwarten. Dementsprechend ungehalten ist deren Benehmen gegenüber den Amerikanern. In jeder Liedpause werden wütende „Rammstein, Rammstein“ Rufe gen Bühne geworfen, was die Stimmung leicht stören mag. Doch die Stone Temple Pilots machen das Beste daraus und ziehen ihre Show durch, auch wenn natürlich der letzte Spielwitz fehlt. Schade, denn so mancher hat diesem musikalischen Leckerbissen schon wochenlang entgegen gefiebert.
Zuvor kann aber auf der Blue Stage ein weiterer unheimlicher Headliner bewundert werden. Nachdem vor vier Jahren der mehr oder weniger kümmerliche Rest der Guns N' Roses einen etwas seltsamen Eindruck hinterlassen hatten, kann dieser Auftritt voll überzeugen. Wie in alten Tagen entlockt Slash mit im Wind wallenden langen Locken seiner Gitarre das ein ums andere Solo und wirkt dabei wesentlich authentischer und spielfreudiger als Axl Rose bei seinem Nova Rock Auftritt. Für den Erfolg des musikalischen Höhepunkts ist sicherlich auch Sänger Myles Kennedy von Alter Bridge verantwortlich, der den Sound perfekt inszeniert.
Währenddessen kann auf der anderen Bühne die extravagante Show von Deichkind bewundert werden. Die Hamburger haben sich raketenartig von einem Geheimtipp zu einem der ganz Großen in der Hip-Hop und Elektroszene gemausert. Allerdings scheinen sie auch etwas abgehoben zu sein. Nicht wirklich passend wirkt der mindestens fünfminütige Einspann unter sphärischen Klängen hinter der mit seltsamen Motiven beleuchteten Leinwand zu der darauf folgenden gewohnt verrückten Show. Da schweben grell bemalte Gestalten durch die Lüfte und beschreien die auftauchende Hühnerscharr in Menschengestalt. Natürlich dürfen das obligatorische Trampolin und das Crowdsurfen via Schlauchboot nicht fehlen. Aber irgendwie wirkte das ganze verrückte Herumgegackere auch schon mal authentischer und sympathischer.
Nach dem ganzen Stress und einer gebührenden Umbauphase betreten dann Rammstein endlich die Blue Stage. Bombastisches war angekündigt worden und Bombastisches wird geboten. Mit zig Trucks und einem Team von über hundert Mitarbeitern angereist entfalten die Giganten ein wahres Feuerwerk an Show auf der Bühne. Nicht nur eine ausgeklügelte Pyrotechnik inklusive diversen hinter der Bühne aufsteigenden Raketen lässt die Fans vor Gebanntheit rasen und umso wilder mittanzen. Auch verschiedene Showeinlagen wie das Anzünden eines scheinbaren Fans dürfen nicht fehlen. An Liedern gibt es eine gute Mischung aus neuen Songs und den alten Klassikern, alle garantiert zum Mitgröhlen. Einziger Wehrmutstropfen ist der Rammstein-typische minimalistische Kontakt zum Publikum. Es steht halt die Performance im Vordergrund, kleine Witzeinlagen wären aber auch fehl am Platze.
Wird am Eröffnungsabend also in erster Linie schwerblütig und verrückt zu Werke gegangen, sind am zweiten Tag die Rollen auf den beiden Bühnen klar verteilt: Während sich auf der Red Stage die Headbanger aller Länder zum finalen Slayer Konzert bei Bands wie Hatebreed, Amon Amarth die Köpfe aneinander schlagen und bei diversen raubeinigen Tänzen jede Menge Staub aufwirbeln, klingen auf der Blue Stage eher melodiöse Klänge an. Green Day hatte einen sagenumwobenen dreistündigen Auftritt als Höhepunkt des Tages angekündigt.
Dabei ist an diesem Abend die Bandreihenfolge wesentlich stimmiger als gestern. Pyramidenartig baut sich der Spannungsbogen von den Hives über Joan Jett zur finalen Show auf. Dabei bieten die fünf Schweden von The Hives ihre gewohnt spielfreudige Show in perfekt sitzenden Anzügen dar. Keine Ahnung, wie sich eine so energiegeladene Show bei den tropischen Temperaturen in derartiger Kleidung durchziehen lässt, aber die Fans schweben zur betont melodischen Stimme von Frontmann Pelle Almqvist auf Wolke sieben.
Immer wieder erstaunlich ist es, wie es die Buchungsagenten des Nova Rocks schaffen, scheinbar längst vergessene Legenden des Rocks auf die Bühne zu bringen, deren Auftritte die Herzen jedes eingefleischten Fans höher schlagen lassen. So war auch die Show von Rockröhre Joan Jett mit heißblütigen Herzen gespannt erwartet worden und diese Erwartungen sollten nicht enttäuscht werden. Gleich einem explodierenden Meteoritenschauer fährt die Amerikanerin in die Ohren der gebannt feiernden Fans. Da können auch die unheilvoll am Himmel aufziehenden Gewitterwolken die Stimmung nur noch weiter anheizen. Als dann das Gelände wegen des befürchteten Jahrhundertunwetters und den orkanartigen Winden geräumt werden muss, lässt Joan zum Ausgleich für den verkürzten Auftritt ihren Überhit „I Love Rock and Roll“ auf die im Sandsturm feiernd flüchtenden Fans herunter prasseln. Diese danken es mit lautem Jubel und werden diese denkwürdige Party wohl so schnell nicht vergessen, zumal das Unwetter das Festival verschonte und das Feiern nach ungefähr einer Stunde weitergehen kann.
Green Day betreten mit einer halbstündigen Verspätung die Blue Stage und können die langsam aber sicher wieder herbei strömenden Massen in ihren Bann ziehen. Auch wenn die Energien der Fans durch die ganze Aufregung etwas in Mitleidenschaft gezogen sind, wird der Headliner ordentlich gefeiert, wobei die diversen Feuerwerke die musikalische Darbietung perfekt ergänzen.
Nachdem sich der vorabendliche Sturm wieder gelegt hat und die Gemüter wieder zur Ruhe gekommen sind, kann der letzte Nova Rock Tag in aller Gemütlichkeit bei angenehmeren Temperaturen genossen werden. Auf dem heutigen Programm ist wieder mehr Tempo angesagt, wobei das Programm beider Bühnen so manche heiße Tanzeinlage des Publikums vermuten lassen.
Nach der energiegeladenen Show von As I Lay Dying mit einer schier unzähligen Menge von Crowdsurfern, ist der Auftritt der Deftones einer jener denkwürdigen Momente, der lang vergessene Emotionen wieder hervor gewühlt und sich tief im Inneren des Gehörgangs festsaugt. Nur um dann den selbigen bei Killswitch Engage wieder ordentlich durchgeputzt zu bekommen. Die fünf Amerikaner wissen durch ihren extrem harten und schnellen Sound das Publikum in Rage zu versetzen. Da fällt es den Headlinern des Abends Bullet For My Valentine schon schwer, noch einen weiteren Höhepunkt zu setzen. Vielleicht liegt es auch an den anstrengenden drei heißen Tagen, aber bei den Fans zeigen sich erste Ermüdungserscheinungen und die Abschlussparty fällt auf der roten Bühne zwar nicht verhalten, aber doch weniger wild als gedacht aus.
Ganz anders präsentieren sich da bei noch nachmittäglich frischen Kräften auf der Blue Stage The Bosshoss. Die sich vollmundig als Südstaatler selbst ankündigende Band stammt in Wahrheit aus Berlin, ihr Sound ist allerdings aus dem tiefstem Mississippi Country Stil. Dabei wird so mancher bekannter Song gecovert und das Publikum in eine wahre Tanzorgie versetzt. The Prodigy muss danach nicht lange vorgestellt werden. Die Pioniere des elektronischen Rocks geben sich dieses Mal etwas geziemter in ihrer Sprachwahl, wissen dafür aber umso mehr mit dem aggressiven Sound zu überzeugen.
Als Höhepunkt des letzten Tages geben sich dieses Mal die Beatsteaks die Ehre. Die fünf Berliner bieten eine fantastische Punkshow und beziehen dabei stets das Publikum mit ein. Dieses dankt so viel Einsatz mit frenetischem Feiern. Obwohl bereits ein weinendes Auge auf das nahende Ende schielt, ist es doch ein würdiger ausgelassener Abschied vom diesjährigen Nova Rock.
Stefan Kuper
* Kommentare lesen/verfassen *
* E-Mail an den Autor * Eigenen Bericht schreiben * Zurück zur Auswahl *
|