Regen & Rock

Nachdem wir uns durch die schier unendliche Blechlawine gequält hatten, kamen wir sicher und durstgestillt auf dem großartigem Gelände des Nova Rocks an. Alljährlich lockt das Festival Tausende musikbegeisterte Jugendliche und jung gebliebene zu einem unvergesslichen Wochenende an. Heuer fand das Ereignis erstmals auf den Pannonia Fields im burgenländischen Nickelsdorf statt und der Umzug hat sich angesichts der guten räumlichen Gegebenheiten wirklich gelohnt. Allerdings konnte auch hier der Boden die wahren Wasserfluten nicht mehr aufnehmen, die sich an diesem Donnerstag vom Himmel ergossen. So verwandelten sich die Rasenflächen langsam aber mit unaufhaltsamer Sicherheit in ein großes Schlammfeld.

Dennoch ließen wir uns vom Regen und dem dazu aufkommenden schaurig kalten Polarwind die Feierlaune keineswegs verderben. Schließlich kann man sich auch von Innen heraus wärmen und dazu warteten noch etliche Topacts bis in den späten Abend auf uns. Nachdem wir nun es endlich dank nachbarschaftlicher Hilfe geschafft hatten, unser Zelt trotz widrigster Aufbaubedingungen zum Stehen zu bringen – ich sage nur: Aufbauen, umgeworfen werden, Zeltstangen gerade biegen, wieder aufbauen... – um unsere Sachen in dessen halbwegs trockenem Inneren zu verstauen, zogen wir los. Die Eingangskontrollen verliefen übrigens halbwegs fix, da hatten wohl einige das warme Zelt dem kalten Platz vor der Bühne vorgezogen, ich kann nur sagen: Selber schuld!

Denn die erste Band, die wir genießen durften, war And You Will Know Us By The Trail Of Dead und die ließen es auf der Bühne gleich richtig krachen: Bei – beziehungsweise nach – jedem Song wurde eine Gitarre oder ein Bass dem Musikgott geopfert, ob des noch fanatischeren nächsten Lieds. So schien alle Kälte gleich vergessen. Zudem halfen von Sponsoren reichlich verteilte Regencapes gegen das Nass von oben. Leider haben wir dann vor dem allzu starkem Regen flüchtend Team Sleep (angeblich einer der besten Auftritte) und Moneybrother verpasst, um aber bei La Vela Puerca rechtzeitig wieder vor der Bühne zu erscheinen. Die ließen sich von den Bedingungen gar nicht beeindrucken und heizten in ihrem lateinamerikanischen Stil mit Ska-Beats gleich richtig ein.

Den ersten Höhepunkt des Tages bildeten die Beatsteaks, denn plötzlich war es vor der Bühne ziemlich voll und so langsam verbreitete sich ein Hauch von Festivalstimmung zwischen all den mitgehenden Fans. Leider hatten die in Regenmäntel gekleideten Wir Sind Helden nicht ihren besten Tag, da ihre Bühnenshow doch arg unter ihren zusätzlichen Hüllen litt. Das ganze wieder wett machten aber die beiden Topacts des Abends: Audioslave und System Of A Down. Beschwerte sich Chris Cornell zunächst noch über die Kälte, legte seine Band Audioslave dann umso mehr los. Es wurde ein rockiges Ensemble aus neueren Stücken vermischt mit guten alten Rage Against The Machine und auch Soundgarden Songs gespielt, das vom Publikum durch heftiges Mittanzen aufgenommen wurde. Die zum Abschluss auftretenden System Of A Down ließen dann durch härtere Töne den Abend ausklingen.

Am nächsten Tag hatten wir so einige Probleme, unsere durch die Kälte steif gefrorenen Glieder wieder zum Leben zu erwecken. Glücklicherweise ließ der Himmel heute Gnade über uns walten. Auch zeigten sich die Veranstalter gut organisiert, denn die Wege waren morgens mit Stroh ausgelegt worden, so dass das nun erheblich schnelleres Vorankommen fast ohne Schlammkontakt möglich war. Keinesfalls wollten wir den Auftritt der uns noch aus der Wiener Kunsthalle bekannten aufstrebenden österreichischen Band Core verpassen. Und wirklich konnte man eine merkliche Weiterentwicklung entdecken. Auf der großen Bühne konnten sich die Jungs so richtig austoben. Dann trafen wir uns zum nachmittäglichen Dankesumtrunk mit unseren neuen Festivalbekanntschaften vom Vortag.

Danach stolperten wir zurück zur Bühne, wo gerade die schwedische Formation Mando Diao in den letzten musikalischen Zügen lagen. Nach einer kurzen Pause mit dem obligatorischem Soundcheck betraten Weezer vor das schon zahlreich vorhandene Publikum. Und wirklich, es ließ sich sogar die Sonne ein wenig blicken. Der geradezu schüchtern aussehende Sänger Rivers Cuomo begann gleich mit einem der melancholischen von einprägsamen Gitarrensound unterlegten Stücke, für die die Kalifornier bekannt sind. Dieser Auftritt wird mir wirklich noch lange in Erinnerung bleiben.

Welch einen Kontrast stellte die danach folgende Show vom Szeneschockgespenst Marilyn Manson dar. Begleitet von einem wahren Feuerwerk an Lichteffekten und teilweise ob des dichten Kunstnebels nur schemenhaft zu erkennen lieferte ein in ein opulentes Kostüm gestopfter Manson seine diesmal nicht dermaßen exzentrische Gothic-/Rockshow ab, die aufgrund des knappen Zeitplans leider – oder je nach Geschmack zum Glück – etwas plötzlich endete. Den Abend beendeten die erfahrenen Bühnenprofis von des Ärzten, welche wie üblich das ganze "Haus" zum Mitgrölen bis in die frühen Morgenstunden brachten.

Den Samstag nutzten wir bei den mittlerweile trockenen Verhältnissen zum ausgiebigen Ausschlafen und Erholen von den anstrengenden vorherigen Nächten. Und so kam es, dass wir erst gegen Abend zum Auftritt von In Extremo das Gelände betraten. In seltsamen, teilweise mit Eisenzacken bestückten Kostümen wurde eine gelungene Mischung aus mittelalterlichen Klängen und eingehendem Gitarrensound dargeboten. Als herausstechendste Instrumente seien nur ein Dudelsack und posaunenartige Trompeten erwähnt, die das Publikum in Verzückung brachten. Unter dem Motto: Unsere Musik ist ein fortlaufendes Experiment, gaben darauf Soulfly ihre Werke dem Publikum preis. Neben neueren Stücken gefielen dabei vor allem die älteren Klassiker aus der Sepultura Zeit.

Mit Nightwish wurden dann abermals eher dunklere Töne präsentiert. Die Stimme der in ein wehendes Outfit gekleideten Frontfrau Tarja Turunen dieser finnischen Band ist durch die harte Schule einer Opernausbildung geschliffen worden und war sozusagen omnipräsent. Den absoluten Höhepunkt des Abends, wenn nicht sogar des ganzen Festivals, durften wir danach erleben: Die Altmeister der Vereinigung von Rock und Techno – The Prodigy – warteten mit einer gigantischen Bühnenshow unterlegt mit einer wahren Flut an Lichteffekten auf. Dabei kam das Einbinden des Publikums keineswegs zu kurz. The Prodigy sind immer wieder ein unvergesslicher Hochgenuss.

Nun sollte mit einem sonntäglichem Stelldichein das großartige Festival ausklingen. Als wir gegen Mittag bei nun angenehmen Temperaturen unser Zelt abbauten und unsere sieben Sachen zum Auto verfrachteten um der zu erwartenden Hektik in der Nacht zu entgehen, ahnten wir noch nicht, was uns an diesem Tag noch alles erwarten würde. Doch dazu später... Nach einer kleinen Stärkung und der obligatorischen Verabschiedung von unseren Zeltnachbarn, traten wir fröhlich zum Auftritt von Millencolin unseren Weg zur Bühne an. Da diese Band das Publikum jedes Mal dermaßen in Rage versetzt, dass es von Pogern und Crowdsurfern nur so wimmelt, beschlossen wir diesmal uns nicht bis zu den vordersten Reihen vorzuarbeiten, sondern das Ganze lieber aus sicherer Distanz zu genießen. Und wirklich gaben Millencolin gleich richtig Gas. Ihr Punk-Rock überzeugte auf der ganzen Linie und ließen auch das Publikum in unseren hinteren Reihen in wilde Raserei verfallen.

Die nun folgende etwas längere Umbaupause nutzten wir dann um uns doch noch nach vorne zu kämpfen, denn einen der wenigen Österreich-Besuche von Green Day als absoluten Höhepunkt zum Abschluss des Nova Rocks wollten wir unbedingt aus der Nähe genießen. Und wirklich: Green Day sollten unsere Erwartungen noch übertreffen, selten habe ich so ein euphorisierendes Konzert erleben dürfen. Dabei überzeugten nicht nur der fetzige Sound, der mit einer einzigartigen Pyroshow unterlegt wurde, auch das Publikum wurde miteingebunden. So durften unter der Ansage: Wir gründen jetzt mal eben eine neue Band, drei Fans aus dem Publikum herausgezogen und an Gitarre, Bass und Schlagzeug verteilt, so dass Green Day für einen Song lang arbeitslos waren. Als der neue Gitarrist dann auch noch vom Frontmann Billie Joe persönlich das gerade bespielte Instrument geschenkt bekam, schien dieser kaum glauben zu können, was gerade mit ihm passierte.

So kam es leider, dass uns Green Days geballte Show von einer rechtzeitigen Abfahrt abhielt und wir uns noch längere Zeit durch die Menschen- und Automassen quälen mussten um loszukommen. Doch das Warten hat sich wirklich gelohnt uns so blicken wir auf ein wunderbares Festival zurück, das uns zu dem festen Entschluss kommen lässt: Nächstes Jahr wieder!

Stefan Kuper

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