Wenn Maschinen singen lernen

Wenn zwei einen ganz besonderen Tag in ihrem Leben zelebrieren und dazu auch noch in die Arena zum Feiern zur Musik ihrer zwei Lieblingsbands einladen, dann treffen nicht nur die verschiedenen Musikgeschmäcker der beiden aufeinander. Durch die Symbiose zweier Stile entsteht eine besonders ungewöhnliche Atmosphäre, bei der sich die Stimmungen durchmischen und verwachsen zu einem in der Erinnerung eingebrannten Erlebnis. Wenn sich zu den geladenen Gästen dann auch noch zahlreiche weitere Fans der beiden Bands hinzugesellen, ist die perfekte Mixtur der kribbelnden Nacht erreicht und gerät ins überbrodeln.

So geschehen an jenem noch halbwegs warmen letzten Oktoberdonnerstag, als sich der Sommer noch nicht ganz dazu entschließen konnte, der kälteren Jahreszeit zu weichen. Mit The Salt Department und Nature Destroyed erwarteten zwei vor allem zum Tanzen mitreißende Performances das hungrige Publikum, um dem Oktobermond, der über die gleichnamige Veranstaltung scheinend wachte, zu huldigen. So unterschiedlich die Stile der beiden Bands waren, so bunt zusammengewürfelt zeigte sich das Publikum. So standen Punks neben aufreizend gekleideten dunklen Schönheiten, langhaarige Headbanger neben düsteren Gestalten. Doch alle waren vereinigt in der Muße, die Nacht zu feiern.

Schließlich legten The Salt Department auf ihrem kleinen Podest, das den Namen Bühne fast nicht mehr verdiente, los. Ein wuchtiger Ska-Punk-Sound vermischt mit rockiger Würze prasselte auf die Zuhörerschaft hernieder. Welche sich keineswegs in den Ecken verkroch, sondern eine derartige Behandlung der Gehörgänge auch noch zu genießen schien. Wie nach durchzechter Nacht mit Tinnitus aufwachend, fanden wir erst nach Ende des Konzerts unseren Willen wieder, einen klaren Gedanken zu fassen.

Nature Destroyed trat da ganz anders auf. Ein charismatischer Frontmann wurde begleitet von den elektronischen Klängen aus Keyboard und dem allgegenwärtigen Beatcomputer. Die absurd mechanisch klirrende Stimme Hannes wurde getragen von den zuckenden Rhythmen, die durch Mark und Bein gingen, um diese ins Schwingung zu versetzen. Unwillkürlich kam die Frage auf, wurden wir hier nun gänzlich künstlich beschallt oder ist trotz aller Diabolik ein menschlicher Kern in der ganzen Mixtur vorhanden.

Absolut faustische Verwirrung stellte sich ein, bei dieser Wahrnehmung der sich unter der Härte und Wut aufdeckenden Unendlichkeit der inneren Welt. Wurde ansonsten bei dem Genuss derartiger Klänge ein verschwenderisches Versprühen von lebensfreudiger Energie fühlbar, schien es sich hier um das genaue Gegenteil zu handeln: Eine ungewöhnliche Schwere trat hervor, dessen verschlingende Armee aus Gefühlen tief bis ins Innerste vordrangen. So wusste man nicht, sollte man weiter innerlich wie angewurzelt als Salzsäule erstarren oder sich mittreiben lassen, um die Wellen des immerwährend anbrandenden Meeres. Schweißüberströmt waren nicht nur die durchtrainierten Muskeln der Masterminds, als sich der Vorhang über die aufreizende Performance legte, derer wir noch lange taumelnd gedachten.

Stefan Kuper

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