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Wieder einmal war es soweit, die Vienna Songwriting Association lud zum Stelldichein ins Porgy & Bess. Nach dem fulminanten Nick-Drake-Abend und seinen illustren Gästen war die Auftrittsliste an diesem Tage nicht weniger spektakulär: Gleich drei fixe Größen der (mittlerweile) heimischen Liedermacherszene gaben sich die Ehre: Daniel Mölksmith & Band, "A Don Piper Situation", beide ursprünglich von der US-Ostküste und der ungeschliffene Rohdiamant aus Colorado, Pollard Berrier. Leider abgesagt hatten Son of the Velvet Rat alias Georg Altziebler, die steirische Antwort auf Nick Drake.
Trotz Locationwechsel war das Porgy gut besucht, die Stimmung feierlich und doch in sich gekehrt. Wo sich sonst die Massen durch die engen Tischreihen zwängten, war stattdessen eine angenehme Atmosphäre zugegen, sprich das perfekte Ambiente, um in aller Ruhe den musikbegleitenden Imaginationen zu lauschen.
Den Vortritt hatte Pollard Berrier. Zuerst eine leere Bühne, dann die Bereicherung durch einen Mann und seine Gitarre. Simpel gekleidet, von mittlerer Statur und einer gewissen College-Ästhetik hätte man ihn eher für ein Mitglied in einer Campus-Rockband halten können. Doch diese Empfindung sollte sehr bald täuschen. Anfänglich noch etwas zaghaft, doch mit fortschreitender Dauer seines Auftritts an Sicherheit gewinnend gab Berrier einen Einblick in seine Welt, deren Ausdruck von seiner Heimat überwältigt zu sein scheint. Seine spärlich vertonten Texte drehen sich zwar um altbekannte Themen wie Liebe, Einsamkeit, Verzweiflung und Tod, doch sind sie nicht mit der alles umfassenden Traurigkeit behaftet, sondern von Vitalität und Leidenschaft umgeben. Man hatte den Eindruck, als würde man auf eine Reise in den Tower of Song mitgenommen werden, hervorgerufen durch ständig wechselnde Akkorde und Stimmlagen. Die Lieder agierten nicht unabhängig voneinander, vielmehr waren sie eine Einheit, die verschiedene Aspekte einer Geschichte erzählten. Bezogen auf die Einfachheit seiner musikalischen Interpretationen erinnerte Berrier an Leonard Cohen, doch beinahe gänzlich ohne dessen Trademark-Weltschmerz am Beginn seiner Karriere. Man bleibt stattdessen mit der Impression zurück, dass sich hier einer kurz von der hiesigen Umgebung verabschiedet, um in eine tiefgründigere und schimmerndere eigene Wirklichkeit abzutauchen. Gedanken wurden zu Bildern, in einem lyrischen Prozess verwandelt, welcher ins Porgy eine ungeahnte Stille einkehren ließ.
Nach so viel Abschweifung und einer wohlverdienten Pause beehrte Daniel Mölksmith samt Band das Publikum. Der seit vier Jahren in Österreich verweilende Musiker entsprach einem ganz anderem Typus des Künstlers. Optisch eine interessante Mischung aus Cliff Richard (selbstverständlich als dieser noch jung war!) und Barry Manilow in seinen Hey-Days lieferte er eine extrovertierte und spontane Bühnenshow, die durch eine Kombination der Instrumente sowie in der Wahl seiner Ausdrucksformen bestach. Einzigartig die Prozedur, wie ein Cello und ein Klavier in den musikalischen Reigen eingebunden wurden und eine mir gänzlich neue Art des Singer/Songwriter-Genres vermittelten. Einprägsame Melodien mit verspielten Texten und teilweise kraftvoller Vertonung wechselten sich mit stilleren Stücken ab, wobei das ganze Ensemble den Geist der Harmonie zelebrierte, wenngleich Mölksmith als der geborene Entertainer die größte Aufmerksamkeit auf sich zog. Und je länger der Abend fortgeschritten war, desto ansprechender wurde die Stimmung, schon allein deshalb weil das Publikum immer zahlreicher wurde.
Den letzten Auftritt, bereits spät nach Mitternacht, bescherte uns die Formation rund um Don Piper, "A Don Piper Situation". Der US-Musiker, der oftmals mit verschiedenen Künstlern spielt, wechselte auch diesmal einfach mit Mölksmith die Position und so trat der Bassist im vorigen Act als Sänger in Erscheinung, um dem Ambiente sogleich nach beinahe fröhlichem Liedermacher-Ethno-Mix eine lyrische Schwere zu verleihen. Sein kompletter Ausdruck war mit leidenschaftlichem Pathos erfüllt, übersetzt in eine imposante Stimme, welche die ganze Bühne beherrschte. Statisch stand Piper hinter seinem Mikro, bearbeitete seine E-Gitarre, um spätestens nach dem dritten Song in einer Art künstlerischer Ekstase zu schwelgen.
Den Zuschauern dürfte es gefallen haben, denn groß war die Begeisterung, als sich alle Hauptakteure nochmals gemeinsam verabschiedeten. Es war zweifellos ein denkwürdiger Abend, der unter anderem bewiesen hat, dass man auch mit einfachen Mitteln imstande ist, ein Publikum zu fesseln. Zudem hat sich auch gezeigt, dass die Musik abseits des Mainstreams nach wie vor lebt und dass sie sehr wohl gefragt ist, auch in Zeiten, wo die stille Einkehr langsam aber sicher von der Rasanz des Alltags verdrängt zu werden droht.
Michaela Drescher
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