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Aus "O" mach "I"
L. A. Jesus feat. Tim und Smek
Auf ein L. A. Jesus-Konzert zu gehen bedeutet, immer wieder auf eine Überraschung gespannt sein zu müssen. Eine Woche nach dem intimen Ecken-Konzert im Lennox gaben sich die Glam-Rock-Pioniere aus Berlin gleich noch einmal die Ehre – dieses Mal im Hot Star, einer verruchten Bar im Herzen der Dreckmetropole Kreuzberg 36. Als wir aus dem übel riechenden U-Bahnhof Kottbusser Tor auftauchten, kam es mir ein bißchen so vor, als sei ich mitten in einem Level von Resident Evil hineingeschlittert. Überall um mich herum wimmelte es von zombiegleichen Freaks, die entweder in überlaufenden Mülleimern herumwühlten oder sich in die nächste dunkle Ecke verzogen für den nächsten Schuß oder weil der letzte sie ganz paranoid gestimmt hatte. Ich mußte aufpassen, daß ich niemanden anrempelte und wohlmöglich in irgendeine Nadel zu laufen (man mag mir nun vorwerfen wollen, ich verbreite hier üble Klischees, doch wer schon einmal am "Kotti" vorbeikommen ist, weiß, daß meine Erzählung eher noch untertrieben ist).
Abenteuerpark L. A. Jesus
Vielleicht 100 Meter vom U-Bahnhof erkannten wir auch schon die Bar. Im Gegensatz zur Umgebung wirkte das Hot Star pingelig sauber, doch das heißt dort nicht viel. Eine kleine Treppe führte uns in einen düsteren Raum in gelbem Licht, in dem schon eine Handvoll Leute vor der Bühne herumlungerten, und es hatte den Anschein, als wüßte hier niemand genau, was heute Abend passieren sollte. Wie sich wenig später herausstellen sollte, wußte das noch nicht einmal der Hauptact selbst. Die Sache war die: Der Drummer von L. A. Jesus, Tom P, war kurzfristig nach Tirol gefahren, um dort seinem Urlaub zu frönen, und nun war der Platz hinter dem Schlagzeug auf einmal frei. Plan war also eigentlich, daß L. A. Jesus an diesem Abend ein Unplugged-Konzert geben würden, ganz ohne Rhythmusmaschine. Aber dann, eine Viertelstunde bevor der Auftritt vonstatten gehen sollte, schlug sich auf einmal ein Mensch im Publikum als Schlagzeuger vor. Er hieß Tim und war Drummer der Band T. C. Fly. Das Erstaunliche an der Sache war, jener Tim kannte natürlich nicht ein einziges Stück der Jungs und war auch mit dem Stil nicht recht vertraut. Doch nichts desto trotz nahm er guten Mutes hinterm Schlagzeug Platz und stimmte sich ein. Nachdem die charmante Frontdiva Jesse, heute mal in einen edlen, komplett weißen Anzug (seines Vaters) und schnieken Anzugschuhen gekleidet, das Publikum in den plötzlichen Wechsel eingeweiht und ihnen erklärt hatte, daß man bei L. A. Jesus niemals wisse, was auf einen zukomme, wurde der Takt eingezählt und Tim legte los mit seinem Ritt ins total Ungewisse. Am Anfang hatte ich kurz den Eindruck, als könne er mit den beiden nicht recht mithalten, er probierte mitten im Lied verschiedene Styles aus und kam nicht so wirklich auf einen Nenner mit dem Rest der Instrumente. Doch gegen Ende des Openers waren Rhythmus und Art absolut tight und beim zweiten Stück dachte schon keiner mehr daran, daß der Schlagzeuger ein anderer war. Stück für Stück schaukelte sich Jesse immer mehr hoch, tänzelte in seinem schneeweißen Anzug mit graziösen Gesten über die kleine Bühne und verhedderte sich immer wieder tollpatschig zwischen dem Gitarrenkabel. Nach ein paar Liedern kam wohl die einzige Sache, die sich bei einem L. A. Jesus-Konzert niemals ändern wird, die Band wollte Jägermeister und Becks! Jesse schrie auf einmal übereuphorisch übers Publikum hinweg zur Bar "This is the time for Jägermeister!!! Three Jägermeister für die Band auf's Haus!". Auch der neue im Bunde fügte sich schnell diesem Brauch und kippte seinen Schnaps auf Ex. Sichtlich heiter angetrunken setzten die Drei ihr Konzert fort. Obwohl L. A. Jesus noch nicht ein all zu großes Repertoire haben und alle Lieder an diesem Abend auch am Freitag zuvor in ähnlicher Reihenfolge im Lennox zu hören waren, klang trotzdem keines mehr wie zuvor, sondern hatte einen völlig neuen Touch bekommen, wohl nicht zuletzt auch durch das dritte "Ersatzrad" im Bunde. Nach einer Stunde und zwei Händen voll Musik, die vor allem in die Beine der etwa 50 Leute im Raum ging, wurde das letzte Lied gespielt und schleunigst die Bühne für die zweite Band des Abends geräumt.
Smek that shit!
Smek war eben diese zweite Band und wirkten sehr reserviert und speziell. Nach einer Weile Soundcheck und nachdem der Gitarrist seine Sportzigarette aufgeraucht hatte, ging es los. Der schlackige Sänger und Bassist, ganz in Camouflage gekleidet und mit einem Cowboyhut auf dem Kopf, wirkte auf mich wie eine kitschige Comicfigur. Mit großen Augen und einem absoluten Charaktergesicht schaute er in die Menge, die nun auffallend dichter geworden war. Mittlerweile hatten die Leute auch vor der Eingangstür Platz genommen, um das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen. Der Rest der Band bestand ebenfalls aus sehr lustigen Charakteren. Der Gitarrist hatte langes, wallendes Haar zu einem Zopf gebunden, hatte ein wettergegerbtes Gesicht und steckte von Kopf bis Fuß in einem Nadelstreifenanzug und Chucks (Sonic Youth!!!). Seine Fingernägel waren schwarz lackiert und verhältnismäßig lang. Die Gitarristin war auch im Cowgirl-Look gekleidet und grazierte emanzipiert mit Cowboyhut und engem Fummel in der einen Ecke der Bühne. Cowboystiefel und ein Anhänger mit einem Totenschädel irgendeines Tieres zierten sie und angeblich hatte sie vor einigen Minuten noch Geburtstag (es war gerade nach 0 Uhr). Der Einzige, der ein bißchen in den Hintergrund fiel (wie soll es auch anders sein), war der Schlagzeuger. Er wirkte ein bißchen punkig und hielt sich recht bedeckt hinter seinem Schlagwerk.
Smek entpuppten sich als sehr laute, simple und fähige Band, die es verstand, die "Massen" mit einfachen Gitarrenriffs und kräftigem Rock 'n' Proll zu rocken. Manche im Raum fingen sogar an ein bißchen an zu pogen – so gut das in diesem kleinen Raum eben funktionierte. Immer wenn der Sänger eine kleine Ansprache zu irgendeinem Song machen wollte, unterbrach ihn ein kübelböcksches, unglaublich nerviges Wesen, welches schon beim Jesus-Konzert unglaublich zappelig vor der Bühne hin- und hergehüpft war, mit den Worten "Klappe halten und spielen!" und so verständlich es auch war, daß man die Band spielen statt reden hören wollte, hätte ich am liebsten... aber reden wir nicht darüber. Irgendwann ohne große Ankündigung erklang plötzlich ein Stück, welches mir unglaublich bekannt vorkam. Und während ich noch mein Hirn zermarterte, was das wohl sei, fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen: Iggy & The Stooges, "I Wanna Be Your Dog"! Ich kannte bisher nur das Cover von Sonic Youth, aber Smeks Version brachte den Raum nicht minder zum Beben und Ausflippen.
Smek wurden gefeiert, als seien sie so etwas wie die White Stripes, und obwohl mir das nicht wirklich in den Kopf gehen wollte, machten sie eine Menge Spaß und schlossen den Abend perfekt ab.
Danach ging es übrigens noch in Jesse's "kleine Kneipe" am Kottbusser Damm. Sehr zu empfehlen – vorausgesetzt, man liebt Jägermeister...
Fabian Fascher
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