3 Stunden, 3 Bands, 3 Künstler
Krabat, Dahlia Schweitzer & Monotekktoni
(im Schokoladen Berlin)

Das Schokoladen war klein, dunkel und gemütlich, und als ich in den leeren Hauptraum trat, tummelten sich noch wenig Leute in diesem. Lediglich am Tresen saßen ein paar Freunde der Künstler, und daß es bereits 21.10h war, machte mir ein bißchen Angst. Eine kleine Kasse mit einer netten Dame dahinter bewachte den unscheinbaren Eingang und rotes Licht und Discokugeln in allen Größen hingen von der Decke herab. Es gab keinen Backstageraum, keinen Hintereingang zur Bühne und auch sonst nicht viele Nebenräume. Als Sitzmöglichkeiten waren ein paar provisorische Bänke aufeinander gestapelt, was sehr nach geschlossener Location aussah. Das Schokoladen war ein echter Untergrundschuppen.

Krabat und der Koffer

So vielleicht um 22 Uhr machte sich ein lustig geschminkter Krabat auf der Bühne bemerkbar und baute schnell seine Utensilien auf. Die bestanden aus einer unikaten schwarzen Gitarre mit Sternen darauf und Verzierungen an den Spitzen, wie es besser nicht zu dem Namen passen kann, und einem geheimnisvollen Koffer, in dem Krabat alle möglichen Dinge barg. An der Decke des Koffers war viel Elektronik montiert, die wohl der Soundbeeinflussung diente. Alles stand ein bißchen unter Zeitdruck, denn aus irgendwelchen doofen gesetzlichen Gründen durfte nur bis 0 Uhr gespielt werden, und in diese 2 Stunden mußten 3 Acts hineinpassen. Alles war nun aufgebaut und die Musik setzte ein. Mit einer freundlichen Begrüßung forderte er das mittlerweile doch schon zahlreicher erschienende Publikum auf, sich doch vor die Bühne zu stellen. Zögernd bewegten sich die meisten nach vorne und alles nahm seinen Lauf. Wilde Sounds, die sich wie außer Kontrolle von seiner Gitarre lösten, flogen in die Menge hinein und dazu sang und schrie der Krabat englischsprachige Texte in zwei verschiedene Mikrophone und bediente nebenbei noch die Elektronik. Dort in diesem kleinen, düsteren Laden stieß nun auf einmal Elektro-Punk auf Reggae-Rhythmen und Techno-Vibes. Das alles vereinte Krabat so genial, daß es noch nicht mal großartig auffiel. Das bis jetzt sehr schüchterne Publikum applaudierte nach jedem Song lautstark und wurde bei den nächsten Songs sogar interaktiv mit einbezogen. Es konnte sich z.B. aussuchen, ob nun ein rockiges oder ein elektronisches Lied gespielt wurde, und es mußte mitsingen. Vom Timing und vom Mitmachgeist wollen wir hier zwar nicht reden, aber die Idee an sich ist gut. Irgendwann mitten im Konzert bat Krabat zwei Leute auf die Bühne: Jemanden der ein Feuerzeug besaß (lustigerweise war das Tonia) und jemanden der einen englischen Text ablesen konnte/wollte (seltsamerweise war das ich...). Die beiden Personen wurden nun auf die Bühne gebeten, und nachdem der Text gelesen war, wurde er auch schon angezündet und der Beat setzte ein. Eine nette Showidee. Es folgten noch einige schicke Songs und bei der Reggae-Metal-Nummer mußte ich schmunzelnd ein bißchen an Jan Eißfeldt und die Asian Dub Foundation denken (wohlgemerkt nur bei der Live-Version. Auf der Platte klingt es total anders.) Aber das sei mir verziehen... Beim nächsten Lied zog Krabat eine Fahrradpumpe aus seinem Köfferchen, hielt sie an das verzerrende Mikro und erzeugte sehr kranke Töne damit. Nun, das Ende seines Auftritts gestaltete sich sehr amüsant. Zwei Songs vor Schluß hieß es plötzlich: "Nun kommt noch ein Song und dann gibt’s eine Zugabe mit Dahlia zusammen...". Das kam bei der Menge sehr gut an und nach dem vorletzten Lied schrieen dann alle belustigt: "Zugabe!". Dahlia ließ zwar etwas auf sich warten, kam dann aber doch mit einem Rest Camouflage-Pants um die Hüften und hochhackigen Stiefeln. Zusammen gaben sie einen Song über ein recht interessantes, wenn auch ungewohntes Duo ab. Dann verschwand Krabat genauso, wie er gekommen war, und Dahlia hatte die Bühne für sich.

Self-confident and sexy

Dahlia Schweitzer war eine sehr schlanke, langbeinige, junge Dame mit kurzem, blondem Haar und einem lauten Organ. Ihre Präsenz zog sofort viele (Männer)blicke auf sich und schlagartig wurde es vor der Bühne etwas voller. Sehr kalte und klinische Elektro- und Breakbeats trugen Dahlias Stimme durch den Raum und es wurde gesungen von "You gave me wrong number" und anderen erzählenswerten Dingen. Dazu schwang sie abwechselnd einen Telephonhörer, eine Peitsche oder eine rote, kitschige Federboa um ihre Ohren und auch um die der Leute. Bei der Peitsche wurden es dann wieder ein paar weniger vor der Bühne... Irgendwann ging sie ins Publikum hinein, schnappte sich einen männlichen Tanzenden und warf ihm die Federboa um den Hals. Kurz tanzte man gemeinsam und dann suchte Dahlia wieder ihren Platz auf der Bühne auf. Ihre Beats waren sehr geradlinig und wenig experimentell, gingen aber stark in die Beine, und so kam es, daß so langsam selbst der schüchterne Statist mit dem Kopf zu nicken begann. Es war eben Discomusik im Stil von Client und Le Tigre - nur ganz solo und irgendwie häuslicher und privater. Mit kalter Anmut und einer total selbstbewussten Art versetzte sie viele im Publikum ins Staunen und sie bejubelten jeden Song laut und begeistert.

Monotekktones Klangvergnügen

Aufgrund des Zeitdrucks gestaltete sich Dahlias Auftritt nicht so lang wie der von Krabat und nach einer guten halben Stunde (es war mittlerweile 23.40 Uhr) räumte man das Set ab und rückte den berühmt berüchtigten Tisch näher nach vorne - den Tisch von Monotekktoni. Heute war er bedeutend größer und stämmiger und aus richtigem Holz (!). Das Keyboard mit den Sprüchen, die die Welt bedeuten, dem komischsten Tapedeck, welches mir je untergekommen ist, und der restlichen Maschinerie. Auf die Bühne kletterte eine kleine, noch unscheinbare Gestalt und bastelte ein bißchen an der Technik herum. Die Zeit drängte, doch das ließ sich zumindest das Publikum kein bißchen anmerken (wahrscheinlich hatten sie es schon längst wieder vergessen...). Nach etwa 5 Minuten ging es los. Ein lang anhaltender Ton zerbrach das leise Gemurmel der Leute. Alles starrten nun wieder auf die Bühne. Heute, dachte ich zuerst, hatte sich Tonia nicht all zu auffällig zurecht gemacht. Ihr berüchtigtes golden glitzerndes Ganzkörperkondom war zwar vorhanden, wurde aber leider von einem schwarzen Stück Stoff verdeckt und ging über in eine schwarze Strumpfhose und braune Schuhe. Das besondere an Tonias Auftritten ist ja, daß sie sich jedes Mal wieder neu erfindet und arrangiert. Somit gibt es nur wenige Titel, die man auf ihrem Album wiedererkennt. Es ist fast alles Improvisation. Z.B stand diesmal zusätzlich ein großes, stämmiges Klavier neben ihr bereit, an welchem ein Mikrophon montiert war, und als die Stelle mit dem Albert Schweizer-Ausschnitt kam, wechselte Toni geschwind das Instrument und spielte auf dem echten Klavier ein paar liebliche Akkorde als Begleitung, bevor es wieder zu scheppern und zu krachen begann. Irgendwann kroch sie unter den Tisch und kämpfte sich durch das Kabelgeschwader, um gleich darauf wieder wie von Sinnen hinter dem Tisch herumzutanzen. Ein Babymegafon war auch im Einsatz und beattechnisch gesehen gab es alles: von ruhig und besonnen bis hirnkrank und taktlos. TripHop, Techno, Drum ‘n Bass, HipHop und sogar ein bißchen Rock. Man muß einfach mit allem rechnen. Zum Ende hin fielen dann die schwarzen Hüllen und zum Vorschein kam das goldene Wesen, an das ich mich noch vom letzten Auftritt erinnere. Die Zöpfe wurden durch die beiden Löcher gesteckt, das Kostüm zurecht gerückt - und fertig war das Fabelwesen aus der verschobenen Dimension.
Ich glaube auch, daß, wenn jemand anderes Tonias Musik machen würde, er nicht soviel Erfolg damit hätte, denn es sind nicht nur die Songs, die die Show bestimmen, sondern auch ihre absolut verplante, treudoofe Haltung hinter ihrem Tisch und die unbedachten, liebenswerten Kommentare wie: "Irgendwie ist das jetzt total schnell... das versteh ich nicht!", über die man sich nach fast jedem Song wieder aufs neue amüsieren kann. Ob sie das nun bewußt oder einfach nur so macht, spielt keine Rolle. Es ist einfach toll und es passt wahnsinnig gut.
Leider wehrte auch der Auftritt von Monotekktoni nicht sehr lang und um 0.20 Uhr hieß es dann: "Das war’s. Es ist um. 12!" Das gefiel den Gästen ganz und gar nicht. Gerade hatten sie diese kleine, verrückte Elfe mit dem goldenen Anzug ins Herz geschlossen. Und somit folgte dann mit dem Nebensatz: "Das ist ein Lied, was ich gar nicht mag. Es ist so doof wie wir alle.... We Are Stupid!" noch eine Zugabe. Um 0.30 Uhr kam dann alles ein bißchen zur Ruhe, die Velvet Mafia legte den restlichen Abend über seichte Housemusik auf und an der Bar gab es Bio-Drinks in verschiedenen Geschmacksrichtungen...

Dieser Abend hat gezeigt, daß es nicht nötig ist, immer mit schwerem Bandgeschütz aufzufahren. Alle drei Acts standen sound- und showtechnisch für eine ganze Combo und das Publikum feierte auch alle drei gebührend wie eine solche.
Merke: Man kann auch alleine Spaß haben!

Fabian Fascher

* Kommentare lesen/verfassen *
* E-Mail an den Autor * Eigenen Bericht schreiben * Zurück zur Auswahl *