Die Nacht der elektronischen Klänge

Was macht eine schöne Erinnerung aus? Ausgezeichnete Musik, beste Laune, schöne Menschen, eine besondere Umgebung und ein Drumherum, das einfach passt. Und all das traf auf den 4. November zu: ein erinnerungswürdiger Abend im Wiener WUK mit Chris Corner & Co.
Drei auserwählte Bands standen auf dem Programm - Heirstyle, Client und IAMX - und somit garantierte musikalische Höhepunkte elektronischer Natur.

Heirstyle, die österreichische Vorband, sorgte ab dem ersten Betreten der Bühne für 'groovige' Stimmung - nicht nur durch ihre Klangwelten oder Ansprachen ans Publikum, auch durch ihre optischen Werte. Ein möglicher Sohn Brian Molkos hing am Mikro, am Synthesizer ein bebrillter Tarantino-Lookalike. Zur Hälfte des Konzerts wurde Brian jr. von einer jungen Sängerin abgelöst, die fortan auch die Männerherzen im Publikum erfreuen sollte. Ein Song mit Hitqualität jagte den nächsten, offenbar prägt FM4 seine Mitarbeiter. Auffallend war die besondere Begeisterung der Jüngeren im Publikum - uns scheint in der Zukunft noch so einiges von Heirstyle zu erwarten.

Auch die zweite Band des Abends, Client, war ein akustischer wie optischer Leckerbissen. Ein blonder Client A am Mikrophon und ein brünetter Client B am Keyboard, unterstützt durch einen Herrn am Synthesizer, erinnerten stark an eine Mischung aus The Human League, Goldfrapp und Leftfield (auch Dubstars Sternstunden waren hörbar). Die sanfte Stimme gepaart mit wunderbaren Elektrobeats und eingängigen Melodien erregte sofortige Begeisterung der Menschenmenge, die gebannt den herumhuschenden singenden Engel und seine Helfer beobachtete. Das Gegenteil wäre auch schwierig gewesen, denn eine Vielzahl von sich spiegelnden Lichtern lenkte die Blicke zielsicher auf die Lackhandschuhe und -pumps der Schönen. Die Songauswahl umfasste beide Alben von Client, teilweise mit sehr persönlichen Texten, die die Stimmung im Saal stark beeinflussten. Auch bei 'Rock 'n' Roll Is All I Wanna Do' blieb es keineswegs, ihr Repertoire inkludierte jeden erdenklichen Musikstil.
Als dann irgendwann auch ihre Zeit im Rampenlicht abgelaufen war, um sich verschwitzt aber glücklich zurückzuziehen, so fiel die Unterscheidung zwischen 'Zugabe'- und 'IAMX'-Schreien schwer - niemand wusste, was genau er wollte, Hauptsache nur mehr von dieser guten Musik.

Zehn Minuten wirkten wie die Ewigkeit. Eine jede Kehle im Saal kreischte, hoffte einen Schatten auf der Bühne erspähen zu können. Als dann aus der Finsternis die Objekte der allgemeinen Begierde traten, strahlte jedes Gesicht, glänzte jedes Auge, lächelte jeder Mund. Eine wahre Freude, all diese seligen Menschen zu erblicken. Sehr energisch wurde ein IAMX-Hit nach dem anderen zum Besten gegeben, von einem zappeligen Chris Corner mit einem niemals still stehenden Gitarristen zur Seite. Der charismatische Bandleader schien sich mit jedem neuen Song zu wandeln: noch ein androgyner Alien, schon ein elektrisierter Rockstar, mal eine schillernde Diva. Einzig die Dame am Keyboard strahlte sanft bewegungslose Coolness aus, während der Rest sprang, tanzte, durch die Luft wirbelte. Dazu erhellte ein Meer von Lichtern das Geschehen - weiß reflektierte der Nebel, dazu die Band in elegantem Schwarz, Weiß und Rot. Auch die Wand hinter der Bühne stellte einen wahren Augenschmaus dar: kunstvolle, teils psychedelische Projektionen steigerten die Empfindungen.
Was dabei natürlich auch nicht fehlen durfte, war eine Flasche Rotwein - zwischen den einzelnen Songs kippten die männlichen Mitglieder ein wenig dessen (am Keyboard wurde Bier getrunken), bis dann auch das Publikum getreu des Mottos 'Kiss and Swallow' beglückt wurde. Besonders die weiblichen Fans versuchten einen Schluck aus den Händen des Gitarristen zu erhaschen, der freudig mit ihnen kommunizierte, während sie der Begeisterungs-Ohnmacht näher und näher rückten. An dieser Stelle sei übrigens die bemerkenswerte Lüftungsanlage zu erwähnen: ihr (und der Kürze der Röcke) ist die Bewahrung vor so manchem Kollaps zu verdanken, ebenso blieb fast jedes Kayal-X auf diversen Augenpartien erhalten.
Nach etwa einer Stunde feinster Musik erweckte die harte Realität das Publikum aus der Trance: auch dieser Abend hatte ein Ende. Dieses wurde jedoch nicht als solches wahrgenommen, denn bei der Aftershowparty im Vorraum ließ sich noch ein würdiger Ausklang zelebrieren.

Selten war eine Nacht der elektronischen Klänge so spannend wie diese. Das Zusammenspiel von Musik und Kunst (und Rotwein) regte sämtliche Sinne an, sich völlig auf die Performance einzulassen und sich darin zu verlieren.

Eva Fischer-Ankern

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