festivalwelt.de / Reportagen / Hurricane
Tag #01
Von Truckern, Scheeßeler Summer Rain und skurilen Frisuren
Wer sich bei einem Festival nicht auf Strapazen einstellt, und das von der ersten bis zur wirklich letzten beschissenen Stunde, der ist dumm.
Wir waren jene Dumme und gingen voller Überzeugung wir können da jetzt einfach reinmarschieren, unser Zelt aufbauen und Modest Mouse, Placebo und The Pixies bejubeln hin. Aber das war naiv! Denn bis unsere Karten, die uns unbeschränkte Freiheit auf Planet Hurricane verleihen sollten, kamen brauchte es noch das eine oder andere Stündchen. Insgesamt waren es dann lächerliche, kurze 5 ½ mini Stunden...
(Vielen Dank an dieser Stelle noch mal an den freundlichen Truckfahrer auf der B75 der einen klitzekleinen Stau verursachte.)
Völlig durchnässt standen wir dann vor dem uns verschlossenen Eingang und brachen unsere Lunchboxes an (Essen aus Langeweile ist ungesund und macht fett, ja)!
Als die Karten mit Eva und ihren Freunden im Gepäck ankamen waren wir längst wieder knochentrocken... und hatten Modest Mouse komplett und Placebo zu einem ¾ verpasst!!! Hmpfh... Tja, zwei oder drei Lieder konnte ich glücklicherweise noch er-hush-en.
Und ich durfte Zeuge eines modisch total verwirrten Brians werden. Süß wie immer und mit viel Charme präsentierte er in alter Manie die bekannten Tunes und seine wunderbare neue Haarpracht. Aber bevor ich sie versuche zu beschreiben schaut euch lieber die Pressephotos an. Ich möchte nicht, daß ihr mich noch hasst.
Von Brian noch total geblendet bauten wir nun unser Zelt auf, wobei wir auch gleich den allerbeschissensten Platz erwischten den es nur gab. Direkt unter einer strahlend hellen Flutlampe und unmittelbar am Hauptweg platziert kamen wir äußerst schnell zu dem Schluss, daß wir morgen früh wieder umziehen würden. Bis zum letzten Tag haben wir unseren Platz aber nicht um einen Zentimeter verschoben. Ich bitte euch! An Schlaf haben wir doch alle nicht gedacht.
"Wir sind nicht wegen Bowie hier"
(and soap bubbles in the AIR)
Irgendwann habe ich mal einen Typ auf dem Festival gesehen, der ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Wir sind nicht wegen Bowie hier" trug. Ich fand die Idee ziemlich amüsant, aber seine Aussage konnte ich definitiv nicht teilen, denn:
BOWIE WAR GEIL, verdammtnochmal!!!!!!
Super Show, wunderschöne Lieder und... und... und Bowie eben! Ihr Bowie-Fanatiker, ihr wisst doch was ich meine. Leider haben wir das Konzert so gut wie nur auf dem Screen verfolgen können. Die Crowd war (verständlicherweise) einfach zu dicht.
Danach gings zu AIR. Ich muß dazu sagen, daß AIR nicht gerade die Musik ist für die ich sterben würde und ich wenig von ihnen kenne, aber live machen die echt spaß. Interessante Lichteffekte zauberten ein nettes Bühnenbild (am hellichten Tage wäre das eher untergegangen, wie man später bei anderen Bands noch sehen sollte) und die Musik war sehr schön aufeinander abgestimmt. Der einzige Kritikpunkt wäre da anzusetzen, daß ihre Lieder auf den Alben eher einschläfernd sind und sie das auf der Bühne irgendwie immer noch waren. Ein bißchen mehr Wind hätte nicht geschadet, nein.
Ich konnte das ganze Konzert über lauter Seifenblasen über das Publikum hinwegschweben sehen. Aber irgendwie bin ich mir bis heute nicht sicher, ob das wirklich Seifenblasen oder aber die losgelösten Seelen der vor sich hinträumenden Fans waren...hmmm...schöne Vorstellung.
Der gefundene Mensch
Ich habe mir ja sagen lassen, daß auf Festivals viel geklaut wird, jedoch, wenn ich ehrlich bin, habe ich in den drei Tagen nicht auch nur eine Kleinigkeit vermisst. Viel mehr hat uns jemand etwas überlassen und es nett verpackt in unser Zelt gelegt. Was dieses Etwas genau war? Also:
Noch absolut berauscht von AIR und den Seifenblasen torkelten wir müde zu unserem trauten Eigenheim, als wir entdecken mußten, daß wohl das ganze Bowie- und AIR-Konzert über so ein netter Zeitgenosse über unser Zelt gewacht hatte. Eigentlich ja eine nette Geste, nicht wahr?! Wäre da nur nicht die Sache mit dem Hausfriedensbruch gewesen. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein völlig verwirrter Typ lungerte in unserem Zelt herum und war eigentlich komplett entkleidet. Nein, das ist unkorrekt! Er hatte wohlgemerkt noch seine Boxershorts und Felix' Jacke an. Würde man diesen Anblick jetzt als ein Bilderrätsel zeigen, und man fragen, was denn hier nicht stimme, würde bestimmt der dümmste Vollidiot sofort erkennen, daß man eine Jacke auch als Jacke und nicht als Hose trägt. Leute, als Hose! Er war da wirklich komplett mit seinen Beinen reingeschlüpft. Wie er das geschafft hatte konnte man (zu Felix' bedauern) auch sehr schnell erkennen. Nach dem Prinzip 'Was nicht paßt wird paßend gemacht' hatte er die Jacke einfach soweit aufgerissen, daß er da auch schön reinpasste. Ich meine, man will es doch auch gemütlich haben, oder?! Wundern tut mich an dieser ganzen Geschichte heute eigentlich nur noch, warum er seine Boxershorts nicht auf seinem Kopf trug...
Nachdem wir und hundert Mal davon überzeugt hatten, daß das auch wirklich unser Zelt ist (ja, es wäre peinlich geworden...) zogen wir ihn da raus, befahlen ihn sich wieder anzuziehen (ja, er hatte tatsächlich eine richtige Hose dabei, aber so schmutzig und ranzig wie die war hätte ich auch Felix' Jacke vorgezogen!) und stellten ihn zur Rede. Nur, zur Rede stellt man normalerweise Leute die auch tatsächlich reden können. Aus Mr. Zeltmeuterer war jedoch nicht all zu viel herauszukitzeln außer die uns in der nächsten Stunde immer wieder ereilenden Worte "Verpisst euch! Das ist mein Zelt!" und "Da sind aber noch meine Schuhe drin!". Heute versuche ich mir belustigt vorzustellen was man sich unter seinen Schuhen vorstellen muß... Aber je mehr ich darüber nachdenke je weniger will ich es eigentlich wissen.
Da ich sehr cholerisch bin konnte ich mich nicht lange im Zaum halten und fing an rumzuschreien, was sich nicht als so gute Idee erwies. Dieser von seinen Drogen wohl ziemlich verwirrter Junge wurde nur noch sturer und ich mußte mir unter anderem anhören, daß meine Mutter ein Hurensohn sei. Er vergriff sich bei seiner unermüdlichen Suche nach seinen Schuhen nicht nur total im Ton sondern auch immer wieder an unserem Gepäck. Wenigstens zog mein Zetern ein paar Securities und andere Schaulustige an die ihm dann versuchten zu erklären, daß er da wohl was falsch verstünde und doch bitte gehen solle.
Nach etwa einer Stunde palavern entschloss er sich dann endlich das Feld zu räumen (puhh!) und wir vielen erschöpft in unsere Schlafsäcke. Leute, ihr glaubt gar nicht wie schnell man nach so einem Tag in einem klitschnassen Schlafsack einschlafen kann!
Übrigens: Die Jacke hat Felix nie ersetzt bekommen. Also noch mal eine Ode an die Polizei die dort ja wirklich zahlreich vertreten war: Ich habe euch während der drei Tage so oft gesehen. Zu Fuß, hoch zu Ross, in unzähligen Jeeps und Panzern und sogar im Militär-Dress. Aber Leute, im Ernst! Immer wenn ich euch gebraucht hab... nie wart ihr für mich da!!!
Danke. Gute Nacht.
Weiterlesen!
Fabian Fascher
* Kommentare lesen/verfassen *
* E-Mail an den Autor * Eigenen Bericht schreiben * Zurück zur Auswahl *
|