David Bowie

Zwei lange Wochen ist es nunmehr her, dass wir eine der größten Musiklegenden live erleben durften: David Bowie.

"Wir" war in diesem Fall ein Quartett bestehend aus drei musikbegeisterten Österreicher(inne)n und einem Deutschen, die den unendlich langen Weg ins norddeutsche Scheeßel (südlich von Hamburg) angetreten waren, um sämtlichen Helden der Musik zuzujubeln. Vielversprechend war das Line-Up: neben Altmeistern wie Bowie, The Cure und den Pixies sollten uns auch Größen wie PJ Harvey, Placebo und Air beglücken, wie auch eine Vielzahl weiterer grandioser Bands.

Nicht die Musik allein erzeugte Begeisterung, wir wollten "echte" Festivalatmosphäre erleben, den Geist des sagenumwobenen Woodstock-Feelings in uns aufsteigen verspüren, alle erdenklichen Reize aufnehmen. Schon in den vergangenen Jahren waren wir in der wunderschönen Ferienzeit quer durch Europa getourt, immer auf der Suche nach Vergnügen, neuen Freunden und der Magie der Musik, die uns alle verbinden sollte. So fanden wir schließlich das Hurricane Festival, das uns all das bot, was wir von einer Musikveranstaltung erwarteten: Schöne Klänge in Hülle und Fülle, eine Gemeinschaft interessantester Menschen verschiedenster Herkunft und Vergangenheit, in einer außergewöhnlichen Umgebung, die einen fernen Ort abseits des Alltags darstellte. Nicht nur die feine Seite des Lebens hatte es uns angetan, auch eigentlich höchst verwerfliche Dinge zogen uns in ihren Bann. Crowdsurfer und Stagediver mischten die Menge auf, energiegeladene Schlammschlachten fanden statt, nächtlich umherziehende grölende Truppen geistig absenter Teenager auf den Campingplätzen störten unseren Schlaf, die stets schlagkräftigen Securitymänner ließen den Ruf nach Amnesty International allgegenwärtig wirken. Doch auch dies kann in einer seltsamen, leicht masochistischen Art zum Wohlbefinden beitragen.

Und so standen wir dann am 25. Juni spät abends vor einer riesigen Bühne, in einer Masse von 40.000 kreischenden Festivalbesuchern, wo aus einem finsteren Schatten ein imposanter David Bowie trat. Ein Lichtermeer aus Scheinwerfern begleitete ihn, der zugleich selbstbewusst dem Publikum entgegen lächelte und jedem einzelnen das Gefühl verspüren ließ, er würde nur für ihn allein singen. Kräftig stieß er altbekannte Klänge in das Mikrophon, begleitet von lauter Musik seiner fast unsichtbaren Band, bis der Boden bebte, ein jeder Blick auf ihn gerichtet, die gesamte Aufmerksamkeit nur ihm gewidmet war. Lieder wie "Rebel Rebel" erzeugten augenblicklich ein Gänsehautgefühl, wohlig wiegten wir im Takt zu "Ziggy Stardust", tanzten mit Freuden zu der Melodie von "Heroes", horchten auf als er zu "I'm Afraid Of Americans" anstimmte, und genossen jeden Ton den Bowie atmete. Nicht die Musik allein stand im Vordergrund, schon die Anwesenheit der Legende an sich generierte dieses besondere Gefühl. Seine Rhythmen wärmten uns, kaum jemand vernahm die norddeutsche Kälte die Bowie quälte. 100 Minuten verstrichen wie im Fluge, kaum unterbrochen durch "Mehr!"- und "Zugabe"-Rufe. Als er dann ein letztes Mal "Goodnight" hauchte, schien die Zeit wie stillgestanden, all unsere Kraft war genommen, wir fanden uns in einer völlig anderen Sphäre wieder.

Dies sind die Träume der Realität.

Andreas Fischer-Ankern

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