Hoch über Bern

So, Donnerstag Nachmittag, brütende Hitze, was gibt es da besseres zu tun, als sich auf den Weg nach Bern zu machen und sich mit tausenden anderen auf den Berner Hausberg den Gurten zu gesellen, um den Auftakt des Gurten-Festivals mitzuerleben. Doch nicht ganz so schnell, denn bereits die Anreise auf den Gurten hat so einiges zu bieten. In Wabern mit der Straßenbahn angekommen, kann man sich entscheiden, ob man mit der Gurtenbahn den Berg erstürmt oder sich zu Fuß den Berg hinaufschleppt. Da es doch sehr heiß ist, nehmen die meisten Anreisenden die etwa 15 Minuten Wartezeit in Kauf und fahren mit der Bahn. Diese Bahnfahrt ist aber äußerst unterhaltsam, kann man doch einen einmaligen Panoramablick über die Stadt Bern genießen. Oben angekommen (es ist so ca. 14.30) spielen bereits "Open-Season" ihren klassischen Ska auf der Hauptbühne und versetzen das eher junge Berner Publikum bereits kurz nach Beginn in Tanzstimmung. Als "Locals" machen dann "Open-Season" auch alles richtig. Sie spielen angenehmen, fröhlichen Ska und die kommunikative Bühnenpräsenz ihres Sängers tut sein übriges, dass dieser Festivalauftakt durchaus schon einen kleinen Höhepunkt bietet. Nach dieser herrlichen Einstimmung hat man nun mal Zeit, sich einen Überblick über das Gelände zu machen. Die Hauptbühne befindet sich am untersten Punkt des Festivalgeländes. Von dort aus steigt das Gebiet langsam an, was es ermöglicht, sich unter einem Sonnenschirm (sind für wenig Geld erhältlich oder können mitgebracht werden) gemütlich ins Gras zu legen, ohne die Show auf der Hauptbühne aus den Augen zu verlieren, genau das richtige für einen so heißen Sommertag wie heute. Ein wenig versetzt weiter oben am Hang ist dann die Zeltbühne, ein Zirkuszelt. Neben kulinarischen Köstlichkeiten, welche die ganze Palette von einheimischen bis exotischen Essen abdecken, gibt es noch eine kleine "Einkaufsstrasse", in welcher man sich mit Schmuck und Second Hand Waren eindecken kann. Sehr gut auch das Internetcafe, in welchem man sich mit humanem Zeitaufwand kostenlos auf dem neusten Stand der Dinge halten kann. Das ganze Areal ist wirklich sehr schön hergerichtet, die wichtigsten "Verbindungswege" sind mit Kunststoffplatten ausgelegt und die Festivalmitarbeiter sind durchwegs sehr freundlich.
So gegen 16.30 beginnen auf der Hauptbühne SUM41. Die kanadischen Teenage-Punks haben mit ihrem letzten Album "Chuck" doch schon eher überrascht, da eine Entwicklung weg vom Teenie-Punk zu beobachten war. Das Konzert entsprach dann auch in einer gewissen Weise den Erwartungen. Mit Songs wie "No Reason" oder "Welcome to Hell" vom aktuellen Album zeigten sie sich von ihrer härteren neuen Seite. Auf der anderen Seite wurden natürlich ihre alten Erfolgsnummern "Hell Song" oder "Still Waiting" vom Album "Does This Look Infected" auch gespielt. Aber irgendwie fehlte dieser Band die Ausstrahlung. Sie konnten sich mit ihrem Auftritt nicht vom Teen-Band Image lösen, und dass ihr Sänger so gegen die 100 das Publikum beschimpfte, sich aber am Ende bei ihm bedankte und es lobte, machte dies auch nicht gerade besser. Ein unterhaltsames Konzert, das aber nicht lange in Erinnerung bleiben wird.
Schon mehr erwarten konnte man von nachfolgender Band "The Hives". Die Schweden mit ihrem satten Sound aus Rock 'n' Roll und Punk haben sich längst in die Oberliga der The-Bands gespielt. Um die Pause zu überbrücken, bot sich ein Sonnenbad im Gras an, währenddem auf der Zeltbühne "Within Temptation" spielten. Kurz nach sieben ist es dann endlich soweit, "The Hives" beginnen mit ihrem Konzert. Gleich von Beginn an wird voll drauf los gerockt und ihr Sänger übt sich in der Animation des Publikums. Dies zeigt auch Wirkung, ist doch der freie Platz vor der Bühne in kürzester Zeit Mangelware und die Fans in der ersten Reihe zeigen, dass Sport in der prallen Sonne bei 30 Grad im Schatten durchaus Spaß machen kann (unterstützt auch vom stets freundlichen Security Personal, das jedem Crowd Surfer, der im Bühnengraben landet, noch eine Flasche Wasser mit auf den Weg zurück ins Gedränge gibt - sympathisch oder?). In der ersten Hälfte des Konzerts liegt das Schwergewicht auf neueren Songs vom "neuen" Album "Tyrannosaurus Hives". Obwohl die Schweden eigentlich mit ihren Songs genug zu sagen hätten, kann der Sänger Pelle Almqvist trotz allem nicht darauf verzichten, ständig die Animation des Publikums zu suchen, was mit der Zeit ein wenig lästig wird, aber andererseits doch nur am Rande stört, weil es vor allem durch seine Versuche Deutsch zu sprechen irgendwie sympathisch wirkt. Im Verlaufe des Konzertes kommt das Quintett dann auch endlich mit altem Songmaterial von den beiden Vorgänger Alben "Barely Legal" und "Veni Vidi Vicious" daher. Dies tut dem Konzert sichtlich gut, denn Mini-Hits wie "Here We Go Again" zünden live noch viel mehr als durch die Wohnzimmer-Boxen. Nach etwa eineinhalb Stunden ist der ganze Spaß zu Ende und die "Brand New Heavies" übernehmen auf der Nebenbühne.
Als letzter Main Act auf der Hauptbühne legt um 22.30 Gentleman los. Aufgrund der langsam aber sicher aufkommenden Dunkelheit kann nun auch endlich die Lichtanlage der Bühne zeigen was sie kann. Der Platz vor der Hauptbühne ist nun zum Brechen voll, es scheint fast, als haben sich alle 12000 Besucher des Donnerstages vor der Hauptbühne versammelt. Trotzdem hat man jedoch noch nicht das Gefühl eingeengt zu sein, was doch sehr angenehm ist. Eingeläutet wird das Konzert durch eine Soulnummer, welche von seinen Backgroundsängerinnen performt wird. Dies ist genau nach dem Geschmack des Publikums, friedliche sommerliche Musik, welche genau die Stimmung des Gurtens widerspiegelt. Als dann Gentleman auch noch persönlich auf die Bühne kommt, ist die Stimmung ganz oben. Das Konzert bietet den idealen Ausklang eines herrlichen Festivaltages, an dem es nichts auszusetzen gab. Schade dass dies für mich auch schon der letzte Tag am diesjährigen Gurten sein wird. Aber eins steht fest: Ich komme wieder, keine Frage.

Johannes Regenass

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