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Open Air in St. Gallen
So, endlich Freitag, und in St. Gallen angekommen. Es ist zwar schon reichlich spät, aber trotzdem ist die Schlange vor dem Eingang schier endlos lang. Man merkt hier schon, dass der Sittertobel ausverkauft ist. Nach etwa einer dreiviertel Stunde ist es dann vollbracht, wir sind endlich drin, im Schlamm. Zwar war es heute trocken, aber durch die starken Regenfälle der letzten Woche haben die 30000 Festivalbesucher das Gelände trotzdem in kürzester Zeit in eine Schlammlandschaft verwandelt. Aber was soll's, auf alle Fälle regnet es jetzt nicht mehr, und das ist immerhin das wichtigste. Auf der Hauptbühne gibt gerade Patent Ochsner seine letzten Lieder zum Besten. Dann heisst es, sich erst einmal sich zu orientieren. Wo kriege ich am besten meine Getränke her, was gibt es so zu essen, und vor allem, wo kann ich bei der Masse von Menschen (es ist wirklich unglaublich voll) am besten mal auf Toilette gehen (gilt zwar eher für die weiblichen Festivalbesucher, sei hier aber trotzdem mal erwähnt). Nachdem man sich dann mal ordentlich verpflegt hat und den ersten Durst gestillt weiß, kann man sich langsam aber sicher auf die Foo Fighters freuen (außer, dass man eine kleine Odyssee veranstalten musste, um an Ohrstöpsel zu kommen, die irgendwie jeder Stand haben sollte, aber keiner mehr welche hatte), die kurz nach zehn mit ihrem Konzert begannen. Krachend und solide rockten die Amis los und zogen schnell auch das Publikum mit. Leider blieb es aber auch bei krachend und solide, eine gewisse Monotonie kann ich dem Konzert der Foo Fighters leider nicht absprechen, was aber nicht heißen soll, dass die Herren um Dave Grohl ein schlechtes Konzert abgeliefert hätten, ganz und gar nicht, aber irgendwie zog es uns zur Mitte des Konzertes eher zur Nebenbühne, auf der gerade 2-Raumwohnung zu sehen waren. Und wie es schien, waren wir nicht die einzigen, die diesen Gedanken hatten, denn es befanden sich auch vor dieser Bühne einmal mehr unglaublich viele Leute. 2-Raumwohnung waren genau das Kontrastprogramm zu den Foo Fighters. Süsser Elektro-Pop mit einer tollen Bühnenpräsenz von Sängerin Inga Humpe. Alles in allem ein starker Auftritt, bei dem man aber am liebsten irgendwo im Gras gelegen wäre, als sich weit weg von der Bühne in der Masse erdrücken zu lassen.
Den Abschluss auf der Hauptbühne des heutigen Abends bildet Norman Cook alias Fatboy Slim. Anstatt sein DJ-Pult auf der Hauptbühne aufzubauen, wird es auf einer kleinen mobilen Bühne inmitten der Zuschauer aufgebaut. Kurz nach zwölf geht das Spektakel los. Mit "Praise You" beginnt das Set, ein viel versprechender Anfang. Leider geht es nicht in diesem Stil weiter, denn zunehmend verwechselt Herr Cook ein Festival mit einem Club. Die Beats werden immer monotoner und härter, und das "Gros" der Leute beginnt sich langsam aber sicher zu zerstreuen. So auch wir. Der erste Tag des Open Airs ist bereits vorbei, man freut sich auf den nächsten. So, Samstagvormittag, der bekanntlich beste Tag eines Festivals beginnt (man hat sich schon eingelebt und muss aber nicht schon wieder weg). Im hellen und vor allem sonnigen Tageslicht sieht es eigentlich gar nicht so schlimm aus auf dem Gelände, auch der Schlamm ist schon beinahe wieder trocken (und das führt leider zu etwas speziellen Gerüchen….).
Als erste Band vom Tage nehme ich Mando Diao so richtig wahr. Und wie schon beim ersten Mal. als ich diese Band live gesehen habe, überzeugten sie auch dieses mal auf der ganzen Linie. Die fünf Schweden spielten so ziemlich jeden Kracher ihrer beiden offiziellen Alben "Bring 'em In" und "Hurricane Bar", was das Publikum auch entsprechend zu würdigen wusste. Wirklich schade, dass diese tolle Band schon so früh am Nachmittag spielte, gegen Abend wäre ganz sicher noch mehr los gewesen.
Danach war es Zeit, sich nochmals eine Verschnaufpause auf dem Zeltplatz zu gönnen, obwohl das in St. Gallen ja sowieso ein fließender Übergang ist. Besonders sehenswert sind auch in diesem Jahr die Steilhang Camper. Arme Besucher, die sich zu spät um einen Zeltplatz bemüht haben, sind oft gezwungen, ihr Zelt an Orten aufzustellen, an denen man eher ein Warnschild wegen akuter Erdrutschgefahr erwarten würde.
Frisch erholt und gut gelaunt machen wir uns ein paar Stunden später wieder auf den Weg ins Gedränge, um uns etwas zu futtern zu kaufen. Das reichhaltige Angebot macht die Entscheidung nicht wirklich einfach. Soll es wieder so ein sensationeller Birnen-Schokoladen Crepe sein? Oder doch eher ein Kebab, Mexikanisch...? Es ist wirklich so ziemlich alles vorhanden.
Frisch gestärkt (der Kebab hat gewonnen, diesmal) geht es dann ans Sportfreunde Stiller Konzert. Und obwohl ich dieser Band eigentlich nicht so viel abgewinnen kann, außer dass sie auf dem Lambock-Soundtrack vertreten sind, bieten sie doch eine sehr gute Show. Spaß ist angesagt und das Festivalpublikum lässt sich von dem fröhlichen Deutsch-Rock auch ordentlich mitreißen.
Auf jeden Fall bin ich jetzt mal gespannt, was denn R.E.M. so bieten werden. Nachdem sie zum Mittag bereits am Live-8 in London gespielt hatten, konnte man befürchten, dass sie eventuell nicht mehr wirklich frisch und motiviert auftreten würden. Glücklicherweise erwiesen sich alle diese Befürchtungen als unbegründet. R.E.M. spielten wirklich ein sehr gutes und, so abwegig das klingen mag, ein spannendes Konzert. Sie brachten neben ihren absoluten Hits wie "Bad Day" oder "Loosing My Religion" auch sehr alte Lieder wie "The One I Love" oder "Everybody Hurts". Den krönenden Abschluss eines wirklich guten Konzertes bildete eine coole Festivalversion von "Man On The Moon". Leider war es auch schon wieder halb eins, bis wir die Masse mal hinter uns gelassen hatten und bis die nächste aus unserer Sicht interessante Band (Mich Gerber) spielte, sollten immerhin noch 2,5 Stunden vergehen – ja, wir sind schlafen gegangen...werde ich alt???
Sonntagmorgen, Traumwetter, Cake. So was macht Spaß, mitunter, weil nun auch etwas Platz auf dem Festivalgelände ist, da doch schon einige den Rückzug angetreten haben und erschöpft den Ort des 3 tägigen Feierns verlassen. Umso besser für die, die noch da sind. Nach Cake sollten eigentlich direkt Anti-Flag auf der Nebenbühne spielen, aber die haben sich verspätet. So trotte ich wieder zurück zur Hauptbühne und warte auf Audioslave. Kurz nach 15 Uhr beginnt dann die Supergroup um Chris Cornell und Tom Morello. Neben den Audioslave Songs kommen zum Glück auch noch ein paar alte Rage Titel. Das akustisch nur von Chris Cornell vorgetragene "Black Hole Sun" war zwar nett, aber bitte wenn schon Soundgarden, dann auch richtig instrumentiert. Den Abschluss eines energiegeladenen und abwechslungsreichen Konzertes war "Killing In The Name", erneut ein alter Rage Klassiker. Festzuhalten bleibt, dass die Songs, die am besten ankamen, die alten Rage Against The Machine Lieder waren. Was aber noch gesagt sein muss, Tom Morello kann wirklich Gitarre spielen, und nur schon deswegen hätte sich ein Besuch dieser Band gelohnt. Eigentlich wollte ich mich nun auch zu jenen gesellen, die das Openair vorzeitig verlassen, als ich aber an der kleinen Bühne vorbeikomme, höre ich da doch unverkennbar, dass nun mittlerweile auch Anti-Flag angekommen sind. Die amerikanischen Polit-Punker sind bereits in vollem Gange und knallen gerade den einen oder anderen kleinen Hit vom Album "The Terrorstate" hin. Nur leider will der energiegeladene Funke der Band nicht so recht aufs Publikum überspringen. Sonntagnachmittag um vier ist halt nicht so der richtige Zeitpunkt um sich nochmals für ein schnelles punkiges Konzert zu begeistern. Da werden wohl Seeed schon eher nach dem Geschmack der restlichen Besucher sein. Ich auf jeden Fall mache mich nun auf den Rückweg, die Erinnerungen eines tollen Festivals im Gepäck, und mit dem Wissen, dass im nächsten Jahr das 30-jährige Jubiläum des St. Gallen Open Airs sein wird. Ob ich da sein werde? Keine Ahnung, hoffentlich!
Johannes Regenass
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