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Wenn Bässe statt Motoren dröhnen
Das Frequency Festival lud in diesem Jahr zum fünften Mal auf den Salzburgring zu zwei Tagen ausgelassenen Feierns mit internationalen Künstlern ein, deren Darbietung auf zwei Bühnen verfolgt werden konnte. Dabei weiß das Konzept durchaus zu überzeugen: Die Motorrennbahn ist sehr gut an das Verkehrsnetz angebunden, so dass es praktisch keinen Anfahrtsstau gibt und befindet sich doch gleichzeitig abseits genug, dass nicht allzu viele Anwohner durch womöglich auch mal lästige Festivalbesucher gestört werden. Das Gelände liegt in einem Tal, und ist ebenfalls sehr gut ausgebaut. Ein fester Untergrund sorgt dafür, dass auch bei Regenschauern der Boden nicht aufgeweicht wird. Die Park- und Zeltplätze befinden sich auf mehr oder weniger hügeligen Wiesen und sind über geteerte Wege zu erreichen, welche sich serpentinenartig die Hänge hinaufschlängeln.
So konnten wir bereits bei der Ankunft oben stehend das gesamte Areal in seiner Pracht bewundern. Was für ein herrlicher, die Vorfreude weiter steigernder Anblick bot sich dar, als die beiden Bühnen und das Meer aus tanzenden Besuchern und bunt geschmückten Ständen sich ausbreitete, gleich einem See der verheißenden Glückseeligkeit. Doch zuvor begann noch das obligatorische Anstehen um die Eintrittsbänder im Antlitz der glühenden Sonne. Jedes Mal wieder hatten wir uns fest vorgenommen, die Wartezeit durch ein frühzeitiges Ankommen zu vermeiden und noch jedes Mal waren wir doch wieder zu spät dran - und müssen uns folglich geduldig in die Schlange einreihen. Doch am heutigen Tag sollte uns die Zeit durch ein paar glückliche Zufälle um einiges verkürzt werden. Als ein Freund uns anrief, um sich nicht auskennend nach unserem Standort zu fragen, stellte sich nach einer Minute heraus, dass sich dieser direkt hinter uns befand. Dazu kamen dann noch weitere Bekannte und schon war die in der Schlange stehend Aufwärmparty mit noch gut gekühltem Bier in vollem Gange. Der anschließende Abstieg zum Gelände fiel darauf umso leichtbeschwingter...
War es nun die Hitze, der relativ weite Weg zum Ort des Geschehens oder doch der zu reichlich genossene Alkohol? Zumindest suchten wir uns erst einmal ein gemütliches Plätzchen am Hang neben der Second Stage und hörten dem Kaizers Orchestra von der Seite zu, anstatt uns gleich mitten ins Gewühl zu begeben. Nun wären die sich auf der Bühne tummelnden Norweger nicht umsonst als trashige Liveband bekannt, wenn diese nicht gleich - zum Teil mit Gasmasken bewaffnet - kräftig aufdrehten und den gitarrenlastigen schnellen Sound mit dem Eindreschen auf allerlei eher musikfremde Gegenständen wie Öltonnen oder Autoreifenfelgen anreicherten. Da störte es auch nicht, dass wohl nur die wenigsten die teils norwegischen Textes zu verstehen wussten, das Publikum war dabei dermaßen aufgewühlt, dass sich einige von uns doch dem lockenden Ruf der empor gestreckten Arme und Hände nicht entziehen konnten und so kräftig mitfeierten.
Hätten wir uns Coheed & Cambria stimmlich wegen der hohen Töne des Sängers als amerikanischen Teenagerverschnitt vorgestellt und an die Show aufgrund des groß angelegten Konzepts ihrer Alben einiges an Erwartungen gehabt, so war das Dargebotene eher langatmig. Die vier Rocker um die 30 wirkten eher alternd abgebrannt und mehr als ein gelegentliches Schaukeln der Haare war nicht drin.
Der anschließende Weg zur Hauptbühne gestaltete sich einigermaßen zivil über geteerte Wege. Zunächst musste ein Tunnel unter der Rennstrecke durchquert werden, an dessen Rand ein durch Gitter sorgsam abgesperrtes Rinnsal dahinfloss. Schade eigentlich dieses Gitter, hätte man doch zwecks Abkühlung gerne die Füße darin gebadet. Allerdings wäre das Ganze wahrscheinlich binnen kürzester Zeit von den Besuchern als kollektive Urinrinne missbraucht worden. Und daran möchte man dann doch lieber nicht denken...
Vorbei an dem Merchandise Bereich führte der Weg etwas hinauf zur Hauptbühne. In Gedanken noch die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten des Bächleins durchspielend, hätte unser Blick beinahe eine vorbeihuschende nackte Schönheit verpasst, die von allen Seiten begafft eine ihren ganzen Körper umspielende Bemalung präsentierte. War das nun eine besondere Werbeaktion oder der selbstlose Akt einer besonders engagierten Festivalbesucherin? Ein Ort der Bemalung konnte jedenfalls auf die Schnelle nicht ausgemacht werden.
Diese Sichtung war zumindest um einiges aufregender als der auf der Hauptbühne performende Paolo Nutini. Einem aus Schottland stammenden italienischen Schönling, der sich mit mehr säuselnder als feuriger Stimme die Strähnen aus dem verschwitzten Gesicht strich. Die versammelten größtenteils jungen weiblichen Fans schien der Anblick allerdings um so mehr zu gefallen, als wir uns langweilten. Der Slot wäre durch die ausgefallenen Futureheads wahrlich besser besetzt gewesen.
Bei den Eagles of Death Metal herrschte darauf wesentlich aufgeheiztere Stimmung, die auch nicht durch in das Publikum aus fetten Feuerwehrschläuchen gespritzte Wasserfontänen abgekühlt werden konnte. Lässt übrigens von der Seite betrachtet im Sonnenschein wunderbare Regenbögen entstehen. Frontmann Jesse Hughes könnte mit seinem wuschigen Oberlippenbart und den tattooüberzogenen Oberarmen bei jedem guten amerikanischen Roadmovie den bösen Cop raushängen lassen, während die restlichen Musiker sämtliche weiteren Filmgenres von Horror bis Lovestory abdeckten. Der dargebotene Sound war ein sehr extrovertierter Garagerock, der kräftig dem Publikum entgegengejagt wurde.
Bei Nada Surf stach auf den ersten Blick Bassist Daniel Lorca ins Auge. Mit durch die Luft geschleuderten Dreadlocks und einer Zigarette im Mund zog er die Blicke gleich auf sich und lenkte die Aufmerksamkeit vom mitreißend gespielten Indiesound etwas ab. Auch der Rest der Band gab sich äußerst cool, ihre Gesichter hinter tiefschwarzen Sonnenbrillen versteckend. Die Lostprophets bewiesen anschließend, dass guter harter Metallrock auch aus dem eher verträumten Wales kommen kann. In eher edler Kleidung wie Oberhemden mit Binden, Westen etc. gekleidet, wirkte die Musik im Gegensatz gar nicht vornehm sondern wie herausbrodelnder Punk verbunden mit harten Gitarrenriffs.
Wir sind Helden haben wir diesen Sommer wohl schon zu oft gehört und daher beginnt die Performance doch langsam eher zu einer langatmigen Gewohnheit zu werden, als dass sie noch aufregend sein könnte. Wahrscheinlich ist es gut so, dass die Band ob der Babypause von Sängerin Judith Holofernes erst einmal einen Boxenstopp einlegt. Auch wenn wir bei dessen Ankündigung als die einzig etwas hämisch laut Jubelnden von der uns umgebenden Masse an aufgewühlten Teenagern arg böse vorwurfsvoll angestarrt wurden.
Dann doch lieber schnell hinüber zur Second Stage, um dem verheißungsvollen Namen Body Count zu folgen. Was hatte diese Band um Frontmann Ice T. nicht in den 90ern für Hits und Kontroversen ausgelöst. So waren ihre Songs regelmäßig auf dem Index und wurden von den Radiostationen boykottiert. Um so besser schlug sich dieses Bad Boy Image in den Verkaufszahlen nieder. Dementsprechend gestaltete sich auch der Anfang ihres Konzertes: Unter Polizeisirenengeheul betraten die maskierten Musiker die Bühne, während grell nach vorne gerichtete Scheinwerfer dem Publikum die Sicht nahmen. "Body Count's in the house" ertönt es auch sogleich. Aber ansonsten war da leider nicht mehr viel. Von den alten Hits wurde eher weniger gespielt und der Rest des so fulminant begonnenen Auftritts erschlug sich mehr in undefinierbarem Krach als der erwarteten zwar harten aber dennoch mitreißenden Performance. Schade, da hatten wir uns doch einiges mehr erhofft.
Nun hatte es im Vorfeld einige Unkenrufe gegeben, dass in diesem Jahr nur relativ wenige Karten verkauft worden seien, da die ganz großen Namen im Line-Up fehlen würden. Aber wie das mit solchen Gerüchten üblicherweise so ist, kam es genau andersherum: Das Gelände war schon am frühen Nachmittag reichlich gefüllt und bei den Topacts am Abend drängelten sich die Besucher schon dermaßen, dass man von einem beinahe ausverkauften Festival reden musste. Und auch das Line-Up wusste vor allem durch geniale Livebands zu überzeugen. Das persönlich Highlight des ersten Tages war dabei Morrissey.
Die ewige unerreichte Diva des Pophimmels spielte nicht nur ein Programm querbeet durch sein künstlerisches Schaffenswerk, wohl kaum ein Musiker schafft es so selbstverliebt dahinzuschweben und dabei einfach nur authentisch zu wirken. Das Gesamtkunstwerk Morrissey kann man nur richtig live erleben. Mit den scheinbar selbstverständlich wirkenden Gesten, Sprüchen und Mimiken, die sich nur jemand leisten kann, der nicht von dieser Welt stammt, sondern nur für kurze Momente einen Einblick in seine Sphären zu geben scheint. Und das alles auf der Basis der wunderbaren klagenden Melodien und Stimme. Kein Wunder, dass die insgesamt drei ins Publikum geworfenen durchgeschwitzten Hemden heiß begehrt waren. Und so konnten wir nach dem Konzert nur bescheiden inne halten, um die genossenen Energien durch unsere Körper strömen zu fühlen.
Als Abschluss des Abends wählten wir die gleichzeitig zu Muse auftretenden Scissor Sisters, welche optisch ein perfektes Discofeeling aus den 80ern hervorriefen. Abgesehen von dem schon sehr eindeutig anrüchigen Bandnamen, gab sich die Band dieses Mal zwar betörend beschwingt ansonsten aber eher anständig. Gekleidet in hautenganliegenden Kostümen sowie einem ganz mit spiegelnden Pailletten bestückten Abendkleid am Körper der Sängerin wurde eine elektronische Synthieversion von Glam-Rock präsentiert, der die Herzen der zahlreichen Fans dahinschweben ließ.
Am zweiten Tag begrüßte uns wiederum herrlicher Sonnenschein zum Auftritt der doch eher regenlastigen Musik von Tomte. In Deutschland bei ihren Festivalauftritten eher als Headliner gesetzt, bekamen sie hier im Süden lediglich einen Nachmittags Slot. Davon ließen sich die Hamburger die gute Laune aber nicht verderben und begrüßten das Publikum mit einem: "Für 35 Minuten 1000 Kilometer gereist, dass machen wir nur für euch!" und legten mit ihrem deutschen Poprock los. Die ansonsten von Sänger Thees zwischen den Songs eingeschobenen Anekdoten fielen aufgrund der kurzen Zeit dann auch etwas knapper aus. Beim nächsten Mal wünschen wir uns zumindest mehr Tomte!
Die Editors sehen zwar aus wie brave Vorstadtbriten, legt Frontmann Tom Smith aber erst einmal mit seiner charakteristischen tiefen Stimme los, ist man gleich gefangen in einer Mischung aus musikalischen Erinnerungen aus den 80ern und dem zurückhaltend brutal ausgedrücktem Sound der Verzweifelung und Wut. Dazu wildes herumschwingen mit den Instrumenten und Mikro sowie den glasig wirkenden Augen des Gitarristen, schon ist ein wunderbares Konzerterlebnis wachgerufen worden. Geradezu blass wirkten dagegen die extrem umjubelten anschließend aufspielenden Arctic Monkeys. Irgendwie schien die Band ob all des Rummels, der unendlichen Anzahl von Interviews und der sich schon länger dahinziehenden Tour etwas ausgebrannt zu sein, so dass ihr Sound das Publikum wohl mehr wegen des bekannten Bandnamen als wegen seiner Qualität zum Kreischen brachte.
Art Bruts Sänger Eddie Argos musste wohl eine Wette verloren oder eine sehr lange Nacht gehabt haben. Zumindest hatte er sich seinen neckischen Oberlippenbart abgeschnitten und war kaum wiederzuerkennen. Auch kleidungsmäßig traten die fünf Engländer weniger freakig als sonst üblich und zu ihren ironischen ausgeflippten Texten passend auf. Anscheinend gibt man sich jetzt doch etwas ernster, was ihrem gerade heraus gespielten herzhaften Britpop aber keinem Abbruch tat. Zwar kein außergewöhnliches, aber doch unterhaltsames Konzert.
Und weiter ging es im Reigen der Bands von der Insel. Die Kaiser Chiefs sind spätestens im Rockhimmel angelangt, seit sie U2 auf einem Teil ihrer Vertigo Tour begleiteten und bei den komplett ausverkauften Shows vor Zehntausenden als Anheizer auftraten. Das die Band ein solches Potential hat, bewiesen sie auch heute wieder, die Gesichter hinter dicken Sonnenbrillen versteckt - irgendwie scheint das ja groß in Mode (wieder-) zu kommen - regnete auf das Publikum der eine ums andere Ohrwurm hernieder, das sich artig durch wilde Herumgehüpfe und Mittanzen bedankte.
Fettes Brot schien da so gar nicht in die Reihe der Engländer hineinzupassen, erzeugten bei den Fans mit ihrem dröhnenden Hip-Hop-Sound um so größere Begeisterung. Und so waren wir umgeben von einem Meer von hinaufgestreckten Armen mitsingender Begeisterter und mussten uns auch den zahlreichen Crowdsurfen erwehren, die von überall gleichzeitig herangeschwebt zu scheinen kamen. Vor der Hauptbühne ging es beim Auftritt von Mando Diao weit geruhsamer zu. Die Schweden präsentierten sich gewohnt arrogant, allerdings blitzte dieses Mal der dazugehörige Charme nicht mit auf, so dass die Stücke nicht mit der nötigen Kraft sondern eher lieblos heruntergespielt wurden. Dieser Balanceakt zwischen zur Schau gestellter Arroganz und Glaubwürdigkeit klappte heute nicht wirklich, so dass alles etwas abgeschmackt wirkte.
Nur gut, dass auf der anderen Bühne ein niederösterreichisches musikalisches Mysterium auf uns wartete. Wähnte man beim Hinüberlaufen noch unzählige Instrumente auf der Bühne, traute man seinen Augen beim Näherkommen kaum, dass statt dessen lediglich ein halbes Dutzend Musiker völlig unbewaffnet auf der Bühne stand. Bauchklang produzieren ihren Sound allein aus der Lunge heraus als menschliche Beat Box. Doch gerade dadurch wirkt diese Musik gleichzeitig eigenartig betörend. Die Klangkomposition muss in schier unendlicher Arbeit bis ins Detail ausgefeilt worden sein, um mit zischenden, surrenden, klopfenden Kehlköpfen diesen unbeschreiblichen Sound zu vollenden. Ein Erlebnis wie von einer anderen Welt.
Nun warteten mit The Prodigy die Übergötter des Techno der 90er auf unsere gierigen Ohren. Aber was erwartete uns da für eine aufgeblähte Truppe. Nichts war zu spüren von dem Esprit der Jahre auf der Überholspur des Raves. Statt dessen verscheuchte uns eine Mischung aus Krach und einem alle zwei Sekunden herausgeschrieenen "Fuck" zurück in Richtung Second Stage, wo Calexico einen akustischen Sound mit starkem Balladenanteil vorführten. Eine multikulturell eingeprägte Musik direkt aus der amerikanischen Wüste, bei der unter anderem lateinamerikanisch gespielte Trompete und Akkordeon zum Einsatz kamen, wirkten wie beruhigender Balsam auf unseren aufgekratzten Seelen.
Franz Ferdinand sind wahrlich ein würdiger Headliner beim britischen Tag auf der Main Stage. Die aktuellen Könige des Britpop verwandelten den Platz vor der Bühne in ein Tollhaus aus kreischenden tanzenden Fans, die sich in ihrer Begeisterung geradezu überschlugen. Bis in den hintersten Winkel war es gestopft voll, so dass die seitlichen Zugänge zum Bereich vor der Bühne bereits vor Konzertbeginn geschickt organisiert zu One-Way-Systemen umgewandelt werden mussten, damit es nicht zu voll wurde. Die vier in extra steif gebügelten gestreiften farbigen Hemden auftretenden Briten spielten aber auch einen dermaßen rockigen Sound, dass die Gliedmaßen sich automatisch in Bewegung setzten. So wurde ein rauschendes Fest gefeiert, bei dem Muskelkater vorprogrammiert war.
Wer immer noch nicht genug hatte, wendete sich Belle and Sebastian zu. Sänger Stuart Murdoch hatte dabei eine geradezu omnipräsente verschmitzt charmante Ausstrahlung, die das in riesigen Scharen anwesende Publikum in ihren Bann zog. Die leicht melancholischen und doch lebhaften Stücke wurden von einem großen Sound untermalt, so dass sich eine schwingende Weite ausbreitete, die uns fast mühelos den Aufstieg auf den wehmütigen Heimweg hinauftrug, während sich die letzten Klänge der Briten noch in unseren Ohren wiederhallten.
Das Frequency Festival wusste in diesem Jahr wieder groß aufzutrumpfen. Die Stimmung war unvergleichlich entspannt und in bester Feierlaune, so dass unsere Träume hin und her pendeln zwischen den schönen Erinnerungen und den Plänen für den fixen Besuch im nächsten Jahr.
Stefan Kuper
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