Über rote Lichter

Wandert man spät abends alleine durch die winterlichen Straßen Wiens, so spürt man die allgegenwärtige Einsamkeit. Gullydeckel entlassen Dampf auf die leeren Straßen, festlich geschmückte Schaufenster schreien nach unpersönlichem Konsum, die wenigen Passanten starren gefühlskalt auf den gefrorenen Boden vor ihren schnell fortschreitenden Füssen, Hände tief vergraben in den Taschen. Zwangsläufig landet man dann irgendwann auf dem Gürtel, auf der Suche nach ein wenig Menschlichkeit. Rote blinkende Lichter locken die Amüsierwilligen, das Klirren von Glas die magerer betuchten dieser. Vor den vielen Würstelständen scharen sich die Einsamen der Nacht, einzelne verschwinden später verstohlen in diskreten Hauseingängen, manche suchen die trotz Kälte auf Opfer wartenden Drogendealer auf. Einige der angesiedelten Lokale seriöser Natur scheinen menschenleer, andere sind von Schwärmen Jugendlicher umgeben. In meinem Fall zog es mich ins Chelsea, das an diesem wie an so vielen Abenden zweiter Sorte angehörte. Benommen von Kälte und der bisherigen Umgebung taumelte ich blind (meine Brille war beschlagen) immer dem weißen Licht entgegen, zum hintersten der Säle. Auf der dort befindlichen Bühne war gerade ein wildes Konzert zugange, nicht nur meine persönliche Erlösung der Nacht. Zwar wechselte das weiße Licht schnell zu rotem, das Gürtelflair störte jedoch keineswegs, kurbelte hingegen das Liebesleben der in Scharen anwesenden Fans an.
Bei der Band der Nacht handelte es sich um die Fortunas Favourites, die an diesem Abend zum ersten Mal in Wien ihren neuen Gitarristen präsentierten. Stand an seinem Platz einst noch der sanfte Traum junger Mädchenherzen, Chrisi, so war es nun Def, der mit viel Charme den jungen Musikern eine wild-leidenschaftliche Note verlieh. Mit viel Kraft und noch mehr Gefühl wurden alte und neue Hits der jungen Niederösterreicher dargeboten, stets mit der gewohnten Energie, die diese Band so auszeichnet. Entweder man tanzte schwungvoll zu den emotionalen Tönen oder man starrte gebannt auf die Bühne, Alternativen existierten nicht. Kaum war man dann endgültig in die Magie der Melodien abgedriftet, stand schon das böse Wort "Zugabe" im Raum. Böse, denn es ist Zeichen eines zu Ende gehenden Konzertes, von dem man gerne noch mehr hören würde.
Den Fortunas Favourites folgte der Auftritt von Heaven Street Seven. Als sie die Bühne betraten, wirkten sie noch unscheinbar (wäre ich ihnen an einem anderen Ort begegnet, so hätte ich als ihre Profession wohl eher den Lehrberuf vermutet), kaum war aber die erste Saite angeschlagen, war ich mir ihrer Wandlungsfähigkeit bewusst. Musikalisch siedelten sich ihre Songs im Bereich zwischen dEUS, Depeche Mode und New Order an, gelegentlich konnte man ein wenig die Ausdrucksform von Oasis bis Supergrass in der Stimme des Sängers vernehmen, der optisch wie Chris Martin, stilistisch wie die Hives über die Bühne tänzelte. Zum Abschied bedankten sich die Ungarn mit einem einwandfreien "Dankeschön" vom beeindruckten Publikum, das sich bald darauf in alle Richtungen der Nacht zerstreute. Nach außen so einsam wie zuvor, doch ein jeder hatte Erinnerungen an diesen schönen Abend mit auf den Weg genommen.

Eva Fischer-Ankern

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