festivalwelt.de / Reportagen / Eels
Not Ready Yet?
4. Juli, Independence Day. Wo verbringt der gute Amerikaner am besten den großen Tag des Nationalstolzes? Auf Tour in good old Europe. Und nicht nur das Land der unendlichen Weiten ist von einer Hitzewelle betroffen, auch das vergleichsweise beschauliche Wien ist komplett in der Hand der Sonnenanbeter. Dementsprechend heiß ging es auch bei dem seit Wochen ausverkauften und extra in die Arena verlegten Eels Konzert zu, was aber sicherlich nicht nur an den hohen Außentemperaturen lag. Die österreichische Eels Fangemeinde ist eine feste Bank für die Band, wie schon bei vorherigen Konzerten beobachtet werden konnte. Die Auftritte der wilden Bluesrocker um Frontmann Everett, in den entsprechenden Kreisen schlicht als E bezeichnet, haben in Wien stets einen kräftigen Schluck mehr aus der Flasche des verspielten Krawallmachersirups intus als anderswo.
Nicht nur dem Publikum lief der Schweiß eimerweise über die Körper. Die vorsorglich mit Megaventilatoren heruntergekühlten Künstler hatten sich aller Hitze zum Trotz in die üblichen einteiligen Overalls gezwängt, versteckten ihre Gesichter unter wuschligen Bärten und hinter schwarzen Pilotenbrillen. Die Köpfe wurden geziert durch Fliegerkappe bzw. Helm. Dieses extra verschmierte Outfit passte irgendwie perfekt zur dreckig-rauen Musik der Eels, stellte die ihm innewohnenden Körper aber auf eine besonders harte Probe. Fast schon seltsamerweise stand dieser Umstand der Energie und Ausführlichkeit des Auftritts aber keinesfalls im Wege.
Mit ebenfalls schon traditionell grausam schlechter Musik wurde die Pause vor dem Konzert beschallt, während sich das Publikum wahlweise die besten Plätze vorne sicherte oder in der Nähe der Ausgänge und geöffneten Nottüren nach frischer Luft schnappte. Der Großteil der alternativen Szene Wiens hatte sich hier versammelt, um dem Ereignis beizuwohnen. So stand verlauster Punk neben braverer Studentin, drängelte sich heruntergekommener Hippie Seite an Seite mit dem Wohlstandsgirly auf den Schultern des üblichen in die Jahre gekommenen Schönlings, als es endlich losging (leider wurden die frischluftversorgenden Notausgänge jetzt wieder verschlossen).
Die Gitarrenverzerrer weit aufgedreht legte E am Bass begleitet von einem Gitarristen und einem Schlagzeuger gleich kräftig los. Als ständige Showeinlage war ein muskelbepackter Zweimetermann auf der Bühne präsent, der in ein Security T-Shirt gezwängt mal die Ansagen ins Publikum schrie, mal die anderen Protagonisten einzuschüchtern versuchte. Dieser nannte sich Crazy Al und verwirrte die Anwesenden gleichermaßen, wie er für den im Kontrast zum bierernst dreinschauenden Rest der Truppe nötigen selbstironischen Witz auf der Bühne sorgte.
Musikalisch wurde vor allem viel von der neuen "Blinking Lights And Other Revelations"-Scheibe gespielt, auf welcher Everett eine Selbstbetrachtung des Lebens musikalisch trashig verpackt. Dabei glitten die Stücke in wahre klangliche Exesse ab, bei denen neben dem harten Gitarrensound den diversesten Gegenständen Klänge entlockt wurden. Frei nach dem Motto: Alles, auf das man draufschlagen kann, gibt einen Ton ab. Das Ganze erreichte dann seinen Höhepunkt mit einem ungefähr 20-minütigen nicht enden wollenden "Not Ready Yet".
Den Ausklang des explosiven Feuerwerks bildeten die Klassiker der Eels, welche die aufgereizten Nerven nur etwas in ruhigere Bahnen lenken konnten. Zu sehr wurde wurden die getriebene Fans heute Abend hin und her geschmissen, als dass noch an einen ruhigen Schlaf zu denken gewesen wäre. Und das war auch nur gut so!
Stefan Kuper
* Kommentare lesen/verfassen *
* E-Mail an den Autor * Eigenen Bericht schreiben * Zurück zur Auswahl *
|