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Hund vs. Ledercouch
Eigentlich sollte der Bericht zu den Auftritten von Heirstyle und Cobra Killer nur folgende zwei Halbsätze enthalten: "Ohne Worte! (siehe Fotos)!!!" Doch da wir einerseits schwer seriös sind und andererseits nicht als faul gelten wollen, gibt es für alle, die trotz Bilder wirklich noch etwas über das Konzert lesen (!) wollen, diesen Bericht.
Austragungsort des Wiener Gastspiels des Berliner Duos Cobra Killer war diesmal das Monastery im dritten Bezirk. Gespannt wer denn an diesem Abend alles zum Konzert pilgern würde, machten Eva, von der die aussagekräftigen Fotos stammen, und ich uns auf den Weg. Bereits am Eingang konnte man erkennen, dass das Monastery an diesem Abend überaus gut besucht war, und auch bei der Vorband, den Wiener Lokalmatadoren Heirstyle, musste man seinen Platz in der ersten Reihe verteidigen.
Heirstyle, die sich zu dritt auf die Bühne wagten, waren sich ihrer großen Verantwortung als Vorband eines legendären Showacts bewusst. Denn als "Anheizer" für Cobrakiller, die einen Ruf als die fleischgewordene Erfüllung rauschhafter Performancephantasien haben, zu agieren und dabei nicht schon beim ersten Lied der Damen in Vergessenheit zu geraten, ist ein fast unmögliches Unterfangen. So fordert auch ein drastischer Hauptact drastische Maßnahmen seines Supports. Heirstyles Antwort auf die übermächtigen Anforderungen war neben der außergewöhnlichen Musik und deren aussagekräftigen Texten eine spektakuläre Showeinlage mit einem Hund und den bereits vor dem Konzert auf der Bühne liegenden Schwedenbomben. Die Livefütterung war aus drei Gründen wirklich ungewöhnlich, da es sich bei dem Hund erstens um ein zweibeiniges und unbehaartes Exemplar handelte, das zweitens Züchtigungen wohl lieber mögen dürfte als der Waldi von nebenan und das drittens sehr viel Wert auf die sauberen Schuhe seines Herren legte. Der Befehl "alles aufessen", vom "Hund" mit Begeisterung ausgeführt, dürfte dem einen oder anderen Besucher Erinnerungen an ein frühes Kindheitstrauma beschert haben. Die Lieder, von den drei Musikern mit einer Mischung aus Wiener Schmäh und exaltierten Gesten vorgetragen, wirkten nicht nur wegen zahlreicher Huldigungen rauschhafter Substanzen und den für die richtige Zubereitung notwendigen Utensilien (wie etwa der "liebe Löffel") verstörend atmosphärisch. Synthies und Gitarre umrahmte einmal mehr den Gesang des Fronters David, der den einen oder anderen Urschrei auf das verzückte Publikum losließ. Am Schluss des Auftritts, der sich trotz der bevorstehenden Performance ins Gedächtnis einprägte, folgte dann nach eigener Ansage eine besondere Zugabe der drei Heirstylisten: Nämlich der Auftritt von Cobra Killer.
Und dann kamen sie, Cobra Killer: Zuerst noch in ihre zerschlissenen Ledertrenchcoats gehüllt forderten sie ein lautstarkes konzertbegleitendes "Let's have a problem!" Nachdem die chirurgischen Handschuhe zeremoniell übergestülpt und die hochprozentigen "Instrumente" des Mischpults geordnet waren, grinsten die beiden Damen süffisant ins Publikum und begrüßten ihre aus nah und fern angereisten Fans. Sodann wurden unter begeisterten Zuspruch begleitet von elektrisierenden elektronischen Klängen die ersten Rotweinflaschen geöffnet... Wer Cobra Killer kennt, weiß was sich dahinter verbirgt: Die zunächst noch relativ brav aussehenden Mädchen – mit Glitter in den Haaren und im Gesicht - verwandeln sich in wahre Furien und begeistern durch eine unvergleichliche Bühnenshow die anwesenden Gestalten der Nacht.
Spätestens nach dem ersten Stiletto-Marsch, der nur mehr mit Kleidchen beziehungsweise knappem Trikot bekleideten Damen, wurden der Reihe nach der männliche und weibliche Teil des Publikums von der Liveshow gefesselt. Mit durch Chirurgenmasken verhülltem Antlitz vollführten die Schönen wahrlich schamanisch anmutende Tänze und gewährten so manchen anrüchigen Einblick in die wohlgebaute Anatomie weiblicher Formen. Auch dem körperlicher Kontakt mit dem geifernden Publikum wurde schamlos gefrönt. Die Show erreichte ihren Höhepunkt in einer wilden Rotweinorgie, welchen die Damen nicht durch ihre Kehlen sondern über ihre Körper liefen ließen. So langsam wurde mir klar, warum zwei meiner Freunde für den letzten Wien Besuch des Duos extra aus München angereist kamen. Auch ich muss zugeben, dass ich nicht nur durch die Lieder des Duos und deren "geschmacksvolle" Themen wie Herpes, Hepatitis C oder "Balladen" wie "Ledercouch" sondern vor allem wegen der Show, die zeitweise mitten im Publikum stattfand, dem Konzert sehr aufmerksam folgte. Johlende Männerhorden, die die beiden Schlangentöterinnen mit mehr oder weniger handgreiflichen Maßnahmen zu sich zu locken beziehungsweise zu ziehen versuchten, und ekstatisch tanzende Zuschauerinnen taten ihr übriges, um die ausgelassene Stimmung von der Bühne bis in den letzten Winkel des Monastery zu tragen. Der Rest dieses Abends von Einlagen mit Hula Hop Reifen und reichlichem Nachschub an harten Getränken ist Konzertgeschichte und hat wieder einmal den Ruf und den Livestatus der Band bestätigt, sodass Fans in Zukunft auch noch weitere Strecken als die von München bis Wien zurücklegen werden, um die beiden Damen zu sehen.
Marlies Staudacher
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