Feierstimmung in vier Stufen
(Cobra Killer, Echokrank und The Spankings)

Cobra Killer in ihrer Heimatstadt Berlin - endlich! An diesem Tag herrschte Feierstimmung. Man trank sehr viel, hörte "76/77" (und auch Le Tigre...) rauf und runter und machte sich so langsam fertig. Als wir dann im SO36 ankamen, wurde erstmal alles, was nach Kamera und Diktiergerät aussah, gnadenlos seinem Besitzer entrissen und die Feierstimmung sank ein wenig. Vom SO36 hätte ich diese konsequente Art niemals erwartet. Deshalb können wir leider auch nicht mit Photos dienen, aber schaut einfach mal in unserer Bildergalerie nach den Photos vom Lovefield, dort präsentierten sich Cobra Killer ebenfalls in voller Pracht. Noch mit genug Feierstimmung im Bauch bewegten wir uns in Richtung Bühne und alles nahm seinen Lauf. Auf die Bühne kletterten zwei ziemlich kranke Gestalten mit kitschigen Frauenperücken, trashigen Klamotten am Leib und gigolohafte Sonnenbrillen auf ihren verkoksten Gesichtern. Echokrank waren da. Und Echokrank sollten erschreckenderweise auch noch lange bleiben... Mit Synthies und Drumcomputern ausgerüstet machte man absichtlich schlechten Sound und spielte taktlos dahergeknüppelte Neopop- und Elektrotrashnummern. Man sang mit verzerrter Stimme, die kaum als solche zu erkennen war, irgendeinen Scheiß daher (wahrscheinlich wäre die Stimme unverzerrt noch viel weniger zu ertragen gewesen) und nervte und nervte und nervte. Nach jedem Lied wurde wohlwollend applaudiert und es ging weiter. Eine der Pseudo-Drag Queenies zertrümmerte eine in ein Plastikrohr gesteckte Halogenleuchte auf dem Touchpad und war dann sichtlich enttäuscht und vergrämt, als diese nach ein paar Schlägen den Geist aufgab. Äußerst erbost pfefferte er die Leuchte in die Ecke, doch auch wenn er sich das Teil in sein Hinterteil geschoben hätte, hätte das Publikum bloß noch früher gesehen, wie hohl er eigentlich ist... Im Hintergrund flackerte die ganze Zeit über die einzige lustige Idee der beiden warmen Krachmacherbrüder umher: ein Elektrocash-Wappen, auf dem im gleichen Schriftzug "Echokrank" stand. Wie nett. Doch lenken solche "Spezialeffekte" leider nicht von schlechter Musik ab und so kam es, daß zumindest ich und meine beiden Kollegen recht schnell genervt zu nörgeln begannen. Irgendwann fiel der Synthie aus und auch er wurde in irgendeine Ecke des Raums gedonnert. Toll wie ihr alles kaputt machen könnt! Vielleicht schaut man auch einfach mal nach, ob der Stecker richtig drinsitzt... Boah! Der "Höhepunkt" ihres Auftritts war wohl ein langes Skateboard, auf welches ein Gitarrenhals mit einigen Saiten montiert war. Der eine Witzbold hang sich dieses hässliche Teil um den Hals und schloß es an einen Amp an. Irgendwie ahnte ich es schon, und siehe, er posierte sich möglichst cool und schlug die Saiten an - nichts. Ihr könnt euch sicher denken, was jetzt passierte. Wutentbrannt riss er sich das Skateboard vom Hals und schleuderte es in die Menge. Es rollte (ja es hatte Räder) gen Menschenmasse, und ob es jemanden getroffen hat, kann ich nur hoffen. Vielleicht lernt der eine Echokranke dann, was Auftritt und was es nicht ist.

Wie das Konzert ausging, weiß ich nicht, da ich mich nach dieser Aktion schnell von der Bühne verflüchtigte, und erst wiederkam, als die schon sympathischeren Spankings ihren Auftritt hatten. The Spankings bestand aus einem etwas älteren, komischen Kauz, der mit seiner ganzen Gigolohaftigkeit immer wieder vor sich hinsabbelte, und einem blutjungen, studentenartigen Bubi, der sehr nach einer dieser beliebten "The-Bands" aussah. Nette Formation. Der "Alte" setzte sich ans Schlagzeug und hämmerte Blues- und Rock 'n' Roll Rhythmen daher. Dazu sang er (!) und der Typ, der sein Sohn hätte sein können, schrammelte dazu mit seinen beiden Gitarren und sang ebenfalls (nur konnte man das leider nicht hören...). Irgendwann in der Halbzeit ihrer Show tauschten sie die Plätze und jetzt spielte der Gitarrist Schlagzeug und der Drummer nahm sich der 6-saitigen Instrumente an. Die Spankings lieferten eine recht guten und gerade wegen der kleinen Besetzung eine sehr interessante Show ab und bewiesen an diesem Abend (sicherlich nicht als erste Band), daß man nicht unbedingt zwei Gitarren, einen Bass und Keyboards braucht, um ein riesiges Publikum zum Rocken zu bringen. Meiner Erinnerung nach wurden die Beiden sehr gerne beklatscht und bewundert, und wer interessiert ist, sollte unbedingt mehr über sie in Erfahrung bringen.

Einen kurzen Moment tat sich auf der Bühne nichts und dann wurde aufgebaut für meine beiden Lieblinge von Cobra Killer. Sie ließen recht lange auf sich warten und dann kamen sie doch. In alter Manier und ihren verschlissenen Matrixmänteln stolzierten sie gen Publikum und verteilten reichlich edles Gesöff neben den Boxen, während sie lautstark riefen: "Let's have a problem! Let's have a problem!" Ja, Cobra Killer waren wahrlich zurück! Alles johlte und grölte und fettige, schmalzige Männerhände von fetten, schmalzigen Männern streckten sich sehnend nach den beiden Grazien aus. Wieder wurde das volle Programm gespielt und auch unser Lieblingslied "Ledercouch" wurde nicht vergessen. Viele Weingläser zerbrachen an diesem Abend und auch diesmal trank man den Wein, ohne ihn sich an den Mund zu führen. Nein, man goß ihn sich einfach über den Kopf. Und wenn daneben relativ ist, kann logischerweise auch nichts daneben gehen... Ich weiß nicht, ob mich Annica noch vom Lovefield wiedererkannt hat, jedenfalls legte sie ihren ausgestreckten Arm auf meinen Kopf und ließ ihn dort auch eine Weile liegen. Später bekam ich den süffigen Weingeruch aus meinen Haaren einfach nicht mehr raus, aber man zahlt eben einen hohen Preis für eine Audienz bei einer Schlangentöterin.
Man knickte noch oft auf den extrem hochhackigen Schuhen um und blieb dann einfach auf dem Boden sitzen, liegen oder rekelte sich so schön, daß man genaugenommen eigentlich alles zu sehen bekam, was man wollte. Auch sprangen die beiden schrillen Damen wieder mit gespreizten Beinen ins Publikum hinein, in dem die Damen verschreckt zur Seite wichen und die Männer lüstern blind in die Luft griffen, um wenigstens einen Rockzipfel zu erwischen oder vielleicht ja auch eine Hacke in sein Gesicht zu bekommen ("Jaha, daf if von Cofa Killa"... haha!).
Am Ende sagte man wieder "Bye Bye" und verabschiedete sich küssenderweise von einem zum größten Teil maskulinen Publikum (ja, ich stand auch vorne und ja, ich habe auch gaaanz viele Küsse abgekriegt...).

Ich spüre die Energie, die Euphorie und die extremen Vibes, die sich im ganzen Publikum bewegten, noch heute und ich möchte Cobra Killer einfach nicht mehr aus meinen Konzertbesuchen wegdenken. Hoffentlich bleiben uns diese beiden Elektroschrullen noch lange erhalten, denn eines ist klar: Soviele Le Tigres und Chicks On Speeds es auch geben mag, Cobra Killer sind einfach die Allerallerbesten!!!

Fabian Fascher

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