Castle Party

Am Wochenende vom 30. Juli bis 1. August fand auch heuer wieder die Castle Party im Schloss Bolków in Südpolen statt. Mittlerweile hat es sich selbst über die Grenzen Polens hinaus einen hervorragenden Ruf als Dark Independent Festival erarbeitet und wird immer öfter mit dem Wave & Gotik Treffen in Leipzig verglichen. Bolków ist zwar nicht so groß, hat aber die schönere Location, da die Konzerte in einem Schlossgarten stattfinden und die Händlermeile im Innenhof, praktisch neben Kerker und Ringturm, aufgebaut ist.

Eröffnet wurde die Castel Party am Freitag mit einem DJ Line-Up: Leszek Rakowski (von FADING COLOURS), darauf folgte Ronny Morings (Sänger von CLAN OF XYMOX), der dann sogar nochmals für Bruno Kramm (DAS ICH) einsprang, der es anscheinend doch nicht bis Polen geschafft hat. Als Mitternachtseinlage folgte die schwedische Band ARCANA, die in Polen Kultstatus besitzt. Dominiert wurde die Band von simplen Schlagzeugrhythmen, Sprechgesang und sphärischen Keyboardklängen gegen die Sängerin Ann-Mari mit ihrer engelsgleichen Stimme ankämpfte und das Publikum verzauberte. Mich erinnerte es des Öfteren an DEAD CAN DANCE, was ja nicht unbedingt schlecht sein muss, jedoch musikalisch eine 180° Wendung zum vorigen DJ Programm darstellte.

Nach den Konzerten ging jeden Abend die Party in den beiden lokalen Clubs "Hacjenda" und "Blue Ice" weiter. Dort konnte zu Musik wie EBM, Gothic, Dark Wave, Drill'n Bass, Dark Deathrock, Horror-Punk, etc. abgetanzt werden – oder man konnte auch einfach nur polnisches Bier (0,4 l knapp 1 Euro) und polnischen Wodka genießen. Ausgezeichnet hat die Partys neben der guten Musik vor allem die ausgelassene Stimmung, die eigentlich jeden Tag bis zur Sperrstunde um 6 Uhr früh anhielt.

Den nächsten Tag eröffneten die polnischen Bands DAEMONICIUM, NAAMAH und GOD'S BOW, die von unseren polnischen Zeltnachbarn mit den Prädikat "Nicht empfehlenswert" versehen wurden. Deshalb bevorzugten wir es am Campingplatz noch gemeinsam ein paar polnische Starkbier zu trinken, bevor wir uns auf dem Weg zum Schloss machten. Als wir ankamen hörten wir gerade noch die letzten Songs der Gothic-Formation MOONLIGHT. Die anschließende Band COOL KIDS OF DEATH gab zwar sehr feinen Gitarrenrock von sich, passte jedoch nicht ganz in das "schwarze" Line-up. Die erste wirklich interessante Band an diesem Tag sollte BLUTENGEL, die Gruppe rund um Multi-Talent Chris Pohl, werden. Während des langatmigen Aufbaus war der Bereich vor der Bühne zum ersten Mal zum Bersten voll. BLUTENGEL sind ja für ihre aufwendigen und blutigen Bühnenshows bekannt, daher wurde der Auftritt anscheinend nicht nur von mir mit Spannung erwartet. Zum überraschen aller betrat jedoch nicht Chris Pohl die Bühne sondern einer der Castle-Party Sprecher und erklärte, dass BLUTENGEL nun doch nicht spielen würden, was vom Publikum natürlich alles andere als positiv aufgenommen wurde. Später erfuhr man, dass Chris Pohl auf sein Funkmikrofon bestanden hatte, um seine extravagante Bühnenshow durchführen zu können. Da er trotz Vertrag keines erhalten hatte, cancelte er einfach kurzfristig die Show. Die Veranstalter versuchten die angespannte Situation zu bewältigen, indem sie den nächsten Act ankündigten: die belgische Band SUICIDE COMMANDO mit ihrem charismatischen Frontmann Johan Van Roy. Die Show bestach neben der guten Sound- und Lichtqualität auch durch die an die Songs angelehnten (und teilweise beängstigenden) Visuals. SUICIDE COMMANDO spielten fast sämtliche ihrer Club-Hits, insbesondere von der letzten CD "Axis Of Evil".
Hauptact am Samstag waren DEINE LAKAIEN, die ein akustisches Konzert ankündigten und es tatsächlich schafften, das Publikum nur mittels Klavier und Alexanders Stimme zu fesseln. Die neuen Versionen von "Dark Star" und "Generators" haben sowohl Ernst Horn als auch dem halb-offenem Klavier einiges abverlangt. Mit dem, vom Publikum gewünschten, Song "Sometimes" haben die LAKAIEN schließlich ihre Fans (nach drei Zugabeetappen) in die Nacht entlassen.

Am nächsten Tag begann das Konzert wiederum mit einigen heimischen Acts: THE UNHOLY GUESTS, EVA, DESDEMONA und SUI GENERIS UMBRA. Letztere wurden uns von mehreren Seiten empfohlen und konnten die hochgesteckten Erwartungen locker erfüllen. Mein persönlicher Favorit an diesem Tag waren jedoch AGRESSIVA 69, die musikalisch irgendwo zwischen STABBING WESTWARD und den alten GRAVITY KILLS Zeugs einzuordnen wären und nur ihn ihren schlechtesten Momentan nach DEPECHE MODE klangen. Danach folgte die christlich orientierte Band ARMIA, die in Polen ebenfalls sehr bekannt ist, wobei jedoch die Meinungen über die "Armee" stark divergieren. ARMIA spielten einerseits sehr punkig, andererseits versuchten sie jedoch bei einigen, von einem Hornisten begleiteten Songs, etwas bodenständiger und konservativer zu sein. Komische Mischung und ich zähle wohl zu den (mind.) 50%, die mit dieser Band überhaupt nichts anzufangen wissen. Danach folgte die holländische Band CLAN OF XYMOX, welche bereits 1984 gegründet wurde und daher mittlerweile zu den Urgesteinen in der Gothic-Szene zu zählen ist und immer wieder gern auf der Castle Party auftreten (seit 2000 bereits das 3. Mal). Diese unkonventionelle Band spielte, auf einer spärlich beleuchteten Bühne und ganz ohne Bühnenshow oder Visuals Schnick-Schnack, ein gelungenes Konzert. Abgeschlossen wurde das Festival durch die bekannte deutsche Band PROJECT PITCHFORK. Nach etwas schleppendem Beginn schafften sie mit ihrem älteren und härteren Material doch noch die Kurve und wurden zu einem würdigen Abschluss der Castle Party 2004.

Das Festival war eigentlich sehr gut organisiert. Es gab ausreichend zu essen und trinken, faire Preise bei den Underground Markets im Burginnenhof und genügend saubere Toilettenanlagen für die rund 6.000 Besucher. Sehr positiv ist weiters anzumerken, dass das Line-up bereits seit Anfang des Jahres feststand und sich danach nichts mehr änderte – bis auf die bereits erwähnten BLUTENGEL.
Von Wien liegt Bolków ungefähr 400 Kilometer entfernt. Unterkunftsmöglichkeiten gibt es entweder in Hotels bzw. in Privathäusern oder auf dem Campingplatz (der eigentlich das restliche Jahr über ein Freibad ist). Dieser ist für polnische Verhältnisse zwar relativ teuer (ca. 25 Euro für 2 Personen + Auto + Zelt für 3 Tage), ist aber sicher für unsereins die beste Gelegenheit, um etwas von Land und Leute mitzubekommen und sich auf die Konzerte einzustimmen, und außerdem liegt der Club "Hacjenda" gleich um die Ecke.

Martin Stieger

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