Wenn der Campus rockt...

Wenn sich die großen Ferien nähern, versammelt sich alljährlich die Jugend des südöstlichen Österreichs: Das Campusrock lockt musikbegeisterte Studenten und Schüler aus Nah und Fern in das beschauliche Fürstenfeld. Partyhungrige aber fahrunwillige Fans wurden extra mit gratis Shuttlebussen eingefahren. Im Schatten der altehrwürdigen Ungarnbastei war in Kombination mit der Stadthalle ein Festivalgelände errichtet worden. Während in der Halle aktuelle Headliner genossen werden konnten, wurde der davor gelegene Open Campus zur öffentlich zugänglichen Partyzone mit metallastiger Beschallung erklärt. Hier konnte man sich in den Pausen bei kühlen Getränken die Zeit vertreiben und neue zwischenmenschliche Kontakte knüpfen. Auch für das leibliche Wohl wurde in Form von Wurstsemmeln gesorgt.

Nachdem wir die zwar stets freundlichen aber etwas übereifrigen Securities von unseren hehren Absichten überzeugt hatten, betraten wir die große Halle. Hier tummelten sich schon allerlei Fans, um zu den Rhythmen der Berliner Band She Male Trouble heftig abzutanzen. Der deftige Punkrock der vier Musiker um Frontfrau Carola ging gleich in die Beine. Die rothaarige Sängerin umklammerte das Mikro mit ihren beidseitig tätowierten Armen und dreschte die Songs über ihre Sicht der kalten, brutalen Welt auf das Publikum ein, welches sich gleich zum heftigen Pogen mitreißen ließ. Über die Kraft in den Stücken von She Male Trouble konnte auch nicht der in roten Rosen gehaltene Bühnenhintergrund hinwegtäuschen. Hier war eine Band am Werke, deren Punk keinen Liebreiz, sondern Härte vermischt mit kraftvollen Beats ausstrahlte.

Die folgende kurze Pause nutzten wir dazu, das Publikum eingehender zu betrachten: Es hatte sich ein bunter Haufen an Freaks versammelt. Dabei überwogen zunächst die jugendlichen Altersklassen, was sich allerdings zu fortgeschrittener Stunde allmählich ändern sollte. Passend zu dem heißen Wetter waren vor allem die weiblichen Fans luftig bekleidet. Auch den männlichen Teil des Publikums konnte man sich mit ihrer bunten Kleidung gut am Strand vorstellen. Viele schienen sich aber auch schon von früheren Ereignissen zu kennen. Und so wurden im Kreis sitzend oder an der Wand lehnend die neusten Erlebnisse ausgetauscht und Wiedersehen gefeiert.

Dann betraten Klee die Bühne. Das begrüßende "Willkommen in der Sauna von Fürstenfeld" schien vielen Festivalbesuchern aus der Seele zu sprechen, denn die Stadthalle hatte sich durch die glühende Sonne so stark aufgeheizt, dass nicht nur das Bier in Strömen floss. Doch der perfekte Deutsch-Pop gewürzt mit einer ausdrucksstarken Stimme entschädigte sofort für die harten Bedingungen. Im Gegensatz zu den härteren Klängen der vorherigen Band schlugen Klee romantischere Töne in Moll an. Sängerin Suzie hauchte in ein rot-weißes Shirt und zerschlissene Jeans gekleidet ihre Songs ins Mikro. Untermalt wurde das Ganze mit feinstem Synthiepop. Das sichtlich beruhigte Publikum lauschte jetzt eher andächtig, was ihm an zärtlicher Tiefgründigkeit geboten wurde.

Der nächste Akt bot wiederum eine völlig andere Musikrichtung. Als wir die sieben Künstler von Karamelo Santo zu hören bekamen, fühlte man sich gleich in Argentiniens Hochebene versetzt. Lateinamerikanische Elemente wurden hier mit Punkrock, Ska und Reggae zu einem interessanten Mixtur vermischt. Die Musiker bestachen zudem durch ihr ungewöhnliches Aussehen: Teils in Armeejacke gekleidet, teils mit nacktem tattooübersätem Oberkörper, wurden vor allem die Rastalocken und buschigen Bärte durch die Luft gewirbelt. Entsprechend der schnellen, harten Beats sprangen die Akteure wild über die Bühne und luden die Zuhörer zum Mitfeiern ein. Es war ihrer geübten Körperbeherrschung zu verdanken, dass nichts zu Bruch ging.

Nach diesem Ausflug auf die Südhalbkugel zog uns 4Lyn in die Welt des Nu-Metal. Die inzwischen dunkle Halle füllte sich merklich, als der Auftritt der vier Hamburger begann. Hier wurde wirklich guter Alternativerock mit eingehenden Melodien geboten. Am besten gefiel mir die melodiöse aktuelle Singleauskopplung "Kisses Of A Strobelight". Der stimmgewaltige und schweißüberströmte Sänger ließ sogleich alle Mädchenherzen im Takt mitschlagen und die Hände dem Angebeteten entgegenstrecken, während sich der männliche Teil der Fans im Headbangen übte.

In der nach dem anstrengenden Gewühle verdienten Pause unternahmen wir einen entspannenden Rundgang durch die schöne Altstadt Fürstenfelds auf der Suche nach etwas, um unsere leeren Mägen zu füllen. Auf Anraten der zahlreich den Ort bevölkernden Festivalbesucher kehrten wir, die Reste der Ungarnbastei umrundend, ins gemütliche Garfield's Irish Pub ein. Eine Kombination aus Imbiss, Pub und Internetcafe, wo wirklich hervorragende Gemüselaibchen genossen wurden.

Wieder an der Stadthalle angekommen, durften wir die Synthiepoplegende Chris Corner auf Solowegen mit seinem Projekt IAMX erleben. Die Location war nun gestopft voll und wildes Geschreie ertönte, als Chris aus dem Nebel heraustrat, der die Bühne verhüllte. Wahlweise bewaffnet mit seiner elektronischen Gitarre oder am Synthesizer sphärische Klänge einfließen lassend zog er sofort alle in seinen Bann. Gehüllt in eine wenig verhüllende Lederweste und eine ebenso hautenge Lederhose präsentierte er mit geballter Emotion seine Hymnen, kniete mit schmerzverzerrtem Gesicht nieder, übergoss sich mit Wein, starrte stolz und geistesversunken in die Luft... Es war niemand im Raum, der sich dieser magischen Anziehungs- und Ausdruckskraft entziehen konnte. Gewürzt mit der weiblichen Stimme einer Blondine am Keyboard wusste der inzwischen um ein Schlagzeug erweiterte Rausch an kalten elektrischen Rhythmen – die den Widerpart zur Stimme des Sängers bildeten – noch fulminanter zu gefallen als bei früheren Auftritten.

Virginia Jetzt! bildeten den krönenden Abschluss des leider viel zu kurzen Abends. Die vier Berliner, die ursprünglich aus der brandenburgischen Provinz stammen, spielten leichtherzigen Indiepop zur Entspannung der gereizten Nervenenden. Die Texte drehten sich vor allem um die ewigen Themen Liebe und Jugend. Im Gegensatz dazu stand die auf extrem rot gedrehte Lichtanlage, die das Quartett in ein kesses Licht setzte. Und so klang ein abwechslungsreiches Festival in der österreichischen Provinz mit internationalem Flair aus. Wir freuen uns schon auf das Campus Rock '06.

Stefan Kuper

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